Dienstag, 18. Februar 2014

Ballesterer 89



Rezension


Ballesterer
Nr. 89, März 2014
82 S.






In der Titelgeschichte liefert Clemens Zavarsky ein sehr gutes Portrait des „letzten Mittelläufers“ Ernst Ocwirk. Mit dem beschriebenen „Ende der Wiener Schule“ in den 1950er Jahren durch die zu späte Anpassung an das damals moderne WM-System begann das Ende der Weltgeltung des Wiener Fußballs, auch wenn der dritte Platz bei der WM 1954 und damit der größte Erfolg einer österreichischen Nationalmannschaft im neuen Spielsystem erreicht wurde.
Bis Anfang der 1950er Jahre spielte Ocwirk bei seiner Austria und im Nationalteam auf der traditionellen zentralen Position des Mittelläufers (Centrehalf) des traditionellen Wiener 2-3-5, interpretierte dies aber untypisch offensiv und bestimmte das Spiel mit seinen Pässen.
Als Ocwirk der Austria als 30-Jähriger zu alt erschien, wechselte er nach Italien zu Sampdoria, wo er noch fünf Jahre erfolgreich in der Serie A spielte. Über diese Jahre liest man in Fußballgeschichtsbüchern leider nie sehr viel, da das Ausland für damalige Fußballjournalisten uninteressant und weit weg war. Besonders hervorzuheben ist daher, daß Zavarsky hier dankenswerterweise auch über die Zeit in Genua auf zwei Seiten schreibt.
Als Trainer arbeitete Ocwirk später ebenfalls u.a. bei der Wiener Austria und Sampdoria.
Ungeklärt sind sein langes Leiden nach einem Achillessehnenriß 1973 und sein früher Tod 1980 mit 54 Jahren. Er könnte ein Opfer der nicht nur in Italien und nicht nur früher recht ungenierten Dopingexperimente geworden sein. „In italienischen Medien wird Ocwirk heute zu den Opfern der Amyotrophen Lateralsklerose gezählt. Eine Krankheit, an der auch zahlreiche andere Fußballer aus den 1950er und 1960er Jahren starben, darunter Ocwirks ehemalige Teamkollegen Ernesto Chucchiaroni und Guido Vincenzi.“ schreibt Zavarsky. Auch in den letzten Jahren starben viele italienische Fußballer an ALS. Zuletzt ging der Fall des 2013 verstorbenen Stefano Borgonovo durch die Medien.

Dazu gibt es im Heft etwas zum LASK oder über die im November in Warschau großteils willkürlich verhafteten 153 (!) Lazio-Fans, die teilweise (22) einen Monat lang dort ins Gefängnis gesperrt wurden, sowie über Vorgänge rund um interne Auseinandersetzungen und einen ermordeten Fan bei Denizlispor

Für den Notizzettel der nächstjährigen Umfrage unter Leserinnen und Lesern zur Bewertung der Zeitschrift: Grafiken, die so verspielt sind, daß man den Text ohne Lupe und ohne Halsverrenkungen oder rotierende Hefthaltung nicht lesen kann („was euch gefällt“ − „was euch nicht gefällt“) verfehlen ihren Zweck. Über die orange-lila Farbwahl und die Lesbarkeit der kursiven Schrift vor dunklem Hintergrund kann man auch streiten.

In eigener Sache: Im Heft finden sich ein Artikel von mir über das abgerissene Jules Ottenstadion im belgischen Gent sowie ein Hoppingbericht vom amüsanten Besuch bei Ethnikos Asteras in Athen.
Kritik, Lob und sonstige Reaktionen aller Art sind willkommen.

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