Rezension
Narben der Gewalt
Basler Ultras und ihre Schlägerkarrieren 1990 bis 2011
Schweiz 2011
Regie: Alain Godet
u.a. mit: Nevio, Frosch, Gök, Jimmy
Im Zentrum dieses Films steht nicht die fußballkulturelle Frage der immanenten Gewalt, sondern stehen die Biographien der Akteure. Der Regisseur Alain Godet hatte vor zwanzig Jahren eine Gruppe damals junger gewalttätiger Fans des FC Basel kennengelernt und sie mit seiner Kamera begleitet (Faustrecht, Fußball-Fieber 1993). Er drehte Ende der 90er Jahre ein Follow-up und suchte die ehemaligen Basler Ultras nun zwanzig Jahre nach der ersten Begegnung erneut auf.
So sieht man zwischen den Erzählungen der früh gealterten 40-jährigen Szenen aus den früheren Filmen als Rückblick auf die unterschiedlich verlaufenden Leben der vier Protagonisten. Wohl aus der langjährigen Zusammenarbeit rührt das vertraute Verhältnis der Interviewten zum Interviewer, dem in erstaunlicher Offenheit schmerzhafte biographische Details erzählt werden. Diese sind für Godet der Grund für ihren Weg in die Gewalt. Sie hätten sich „mit Gewalttätigkeit immunisiert, wie ein unsichtbarer Mantel, der ihre Verletzlichkeit kaschierte“.
Bemerkenswert ist die Unterschiedlichkeit der vier Biographien. Von der gleichen Basis ausgehend, fand mancher aus der Gewaltspirale heraus und mancher nicht. Trotz Inszenierung der tätowierten Oberkörper sind die Gespräche keine Verherrlichung von Gewalt, sondern zeigen vielmehr deren fatale Folgen auch für die Schläger selbst: Die Ventilfunktion ist beschränkt und bringt keinerlei Lösung. Werbung fürs Prügeln sind diese gezeichneten Leben und geschundenen Körper beileibe nicht.
In emotionalen Bildern dreht sich der Film daneben auch um eine gesellschaftliche Botschaft: Der Mensch hinter dem Knochenbrecher ist ein Mensch mit einer eigenen Geschichte. Die Gewalt fällt nicht vom Himmel, sondern beruht auf sozialen und familiären Ursachen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der in einer Zeitung geäußerte Vergleich Alain Godets zum Stadionumfeld vor zwanzig Jahren und heute: „Das Erstaunliche ist, dass damals zwei Polizisten die ganze Muttenzerkurve im Griff hatten. Heute kommt man mit absurden Verboten. Aber das ist wie bei einem Kochtopf. Mit einem Deckel drauf steigt der Druck nur noch und dann explodiert das Ganze.“ (Hinweis dank Knapp daneben).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen