Polen, Ekstraklasa, 37. kolejka (grupa mistrzowska, 7. kolejka), 4.6.2017
Stadion Miejski w Białymstoku, 19.084
Die letzte Runde der polnischen Ekstraklasa hatte es heuer in sich: Legia Warschau mit 43 Punkten vor Jagiellonia, Lech Poznań und Lechia Gdańsk mit jeweils 41 Punkten und dazu die Begegnungen Legia – Lechia und Jagiellonia – Lech am letzten Spieltag. Die Stadionzeitung veranschaulichte in einer Kreuztabelle, dass theoretisch alle vier Mannschaften eine Chance auf den Meistertitel gehabt hätten. Jagiellonia hätte dafür jedenfalls gewinnen und auf ein passendes Ergebnis in Warschau hoffen müssen.
In der ersten Halbzeit hatten in Białystok die Gäste die besseren Chancen und nach zehn Minuten ging Lech Poznań unter ihrem Trainer Nenad Bjelica auch in Führung. Die Blicke in den Sitzreihen auf die Handys zur Kontrolle des Spielstands im Parallelspiel in Warschau wurden nervöser. Jagiellonia spielte recht offensiv, aber traf eben nicht während Lech Poznań nicht unverdient auf 0:2 stellte. Eher mit Betroffenheit als mit Enttäuschung lassen sich Reaktionen auf den Plätzen beschreiben. Bis zum Anschlusstreffer war die Luft aus dem Spiel heraußen, die letzten zehn Minuten ging es dafür am Spielfeld und auf den Rängen hochemotional zu. Jagiellonia drängte mit der Brechstange. Das war beste Spannung, die ein Fußballspiel bieten kann und wurde mit dem Ausgleich gekrönt. Mehr war’s nicht, aber Jagiellonia ist damit immerhin Vizemeister, der bisher größte Erfolg in der Meisterschaft in der Vereinsgeschichte. Das wurde mit einem fröhlichen Platzsturm nach Schlusspfiff gefeiert. Lech Poznań konnte auch zufrieden sein, da man mit dem Ergebnis ebenfalls den Europacup erreicht hat. Der Auswärtsblock stimmte Gesänge gegen Legia an, die von der Menge am Platz fröhlich aufgenommen wurden. Über das Stadionmikro rief ein Vorsänger der Ultras dazu auf, Platz für die offiziellen Feierlichkeiten zu machen, was auch anstandslos Folge geleistet wurde. In Polen gibt es ja auch für den Vizemeister eine Ehrung und Medaillen. Trotz einsetzenden Wolkenbruchs wurde am Universitätsplatz in der Innenstadt mit der Mannschaft am Balkon noch groß gefeiert. Eine Meisterfeier hätte nicht viel anders aussehen können als diese Zelebrierung des zweiten Platzes.
Das Heimpublikum war fast ausschließlich in den gelb-roten Farben gekleidet, großteils in quergestreiften Dressen oder Leiberl. Der Vorsänger der Ultras Jagiellonia Białystok (UJB) hielt eine Viertelstunde vor Spielbeginn die Motivationsansprache nicht nur an die Kurve sondern per Stadionsprechermikrophon vom Spielfeldrand aus an das ganze Stadion. Zur zweiten Halbzeit wurde dann ein Banner mit Spruch befestigt und eine dazugehörige Blockfahne über die Kurve ausgerollt, nach einigen Minuten wieder eingerollt, der Spruch leicht verändert sowie dazu gehörig Pyro gezündet und dann die Blockfahne erneut für mehrere Minuten ausgerollt. Praktisch die gesamte Kurve bekam so den Anschlusstreffer nur aufgrund des Torjubels des restlichen Stadions mit. Eine ähnliche Tonnage wie es zuvor an Pyrotechnik gegeben hatte, landete kurz darauf als Papierrollen im Strafraum und sorgte für eine mehrminütige Spielunterbrechung. Nach einer weiteren Papierrolleneinlage später bat der Kapitän händeringend damit aufzuhören, da man gerade auf das nächste Tor dränge (er deutete darauf). Doch die überlange Nachspielzeit am Schluss, mit der das Ergebnis des Parallelspiels wohl den meisten bekannt war, war vielleicht nicht unbeabsichtigt.
Jagiellonia Białystok wurde 1920 als WKS 42 Pułk Piechoty Białystok, als Sportverein einer Militäreinheit (42. Infanterieregiment) gegründet. 1932 wurde der Verein nach Fusion mit einem anderen Klub aus Białystok nach dem früheren polnischen Königsgeschlecht der Jagiellonen (1386 bis 1572) Jagiellonia benannt. Im kommunistischen Nachkriegspolen folgte eine Reihe an Umbenennungen − 1946 PKS Motor Białystok, 1948 KS Białystok Wici, 1949 Związkowiec Białystok und 1951 Budowlani Białystok − bis dann 1955 mit dem Vereinsnamen Jagiellonia Białystok Budowlani der historische Name doch wiederaufgenommen wurde. Ab 1973 hieß der Verein dann wieder einfach MKSB Jagiellonia Białystok. Erst 1987 stieg Jagiellonia erstmals in die Ekstraklasa auf, woran derzeit eine Ausstellung am Hauptplatz erinnert. Nach vierzehnjähriger Unterbrechung kehrte man 2007 zurück und spielt hier seither dauerhaft. Nachdem man bereits 1989 einmal im Cupfinale gestanden war, ist der bisher größte Vereinserfolg der polnische Cupsieg 2010. In der Meisterschaft waren bisher zwei dritte Plätze die besten Platzierungen gewesen. In dieser Saison 2016/17 gewann Jagiellonia den in 30 Runden ausgespielten Grunddurchgang der Ekstraklasa, doch seit 2013/14 gibt es hier ein anschließendes Playoff, bei dem die Hälfte der gewonnenen Punkte gestrichen wird und durch Aufrundung ungerader Punktzahlen der Wettbewerb verzerrt wird, um dadurch Spannung zu erhöhen.
Das städtische Stadion von Białystok Stadion Miejski w Białymstoku wurde 2010 bis 2014 an der Stelle des 1972 eröffneten alten Stadions neu errichtet. Bereits 2008 war die alte Haupttribüne des alten Stadions abgerissen worden. Der Neubau hätte bereits 2012 fertiggestellt werden sollen, aufgrund Kündigung der Verträge kam es aber zu einer Verzögerung. Das um umgerechnet 66 Mio € gebaute Stadion hat eine Kapazität von 22.386 Plätzen. Ein großer Puffersektor mit tausenden Sitzplätzen wird neben dem Auswärtssektor freigehalten.
Vor dem Spiel wurde die Stadt Białystok besichtigt.
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