Dienstag, 17. Februar 2015

Ballesterer 99



Rezension


Ballesterer
Nr. 99, März 2015
82 S.






Mit einer Geschichte des Mitropa-Cups erfreut in diesem Heft die Fußballhistoriker-Abteilung, die in letzter Zeit Schmankerl am laufenden Band liefert. Matthias Marschik und Clemens Zavarsky erzählen unter Mitarbeit von Alexander Juraske von jenem Europacup vor dem Europacup. Vereine aus Österreich, Ungarn, der Tschechoslowakei, Italien, Jugoslawien, Rumänien und der Schweiz spielten von 1927 bis 1939 den damals bedeutendsten internationalen Vereinswettbewerb Europas untereinander aus. Rapid erreichte 1927 und 1928 das Finale und gewann den Cup 1930. Das Rapideum zeigte im übrigen den Pokal dieses Triumphs.
Die Ballesterer-Titelgeschichte beschreibt, wie der − nach der Schlafwagen-Eisenbahngesellschaft Mitropa benannte − Bewerb ein frühes Produkt eines „modernen Fußballs“ war, indem seiner Gründung wie später bei Champions League vor allem wirtschaftliche Gedanken zugrunde lagen, um die Professionalisierung des Fußballs zu finanzieren. Die internationalen Begegnungen des Mitropacups brachten den Fußball aber auch sportlich weiter. Es entstand „so etwas wie ein spezifischer gemeinsamer Spielstil,“ wie Marschik/Zavarsky schreiben: „Aus der Verbindung des ungarischen Kurzpassspiels mit dem tschechischen Pass in die Gasse und dem Wiener Spielwitz wurde der Donaufußball geboren.“
Die Mitropacupspiele waren nicht nur Sportgroßereignisse sondern bekamen auch eine politische Dimension. Es wurden sowohl Nationalismen ausgelebt als auch politische Auseinandersetzungen, wenn z.B. Mannschaften aus Italien im Sinne Mussolinis als faschistische Propagandisten auftraten oder wahrgenommen wurden. „Raufereien auf dem Spielfeld, Schlägereien im Publikum, Schmähtiraden und Steinwürfe gehörten zur Tagesordnung.“ Im Artikel wird als Beispiel der Spielabbruch beim Semifinale 1932 zwischen Juventus und Slavia Prag genannt. Man könnte auch das Viertelfinale 1937 anführen, als es beim Match zwischen der Admira und Genoa (im Text mit der in der Zeit des Faschismus anstelle des englischen Vereinsnamens verwendeten italienischen Bezeichnung Genova genannt) im Praterstadion zu Raufereien am Spielfeld und auf den Tribünen kam und dann das Rückspiel in Genua vom italienischen Innenministerium abgesagt wurde, woraufhin beide Vereine disqualifiziert wurden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Mitropa-Cup nur dem Namen nach wiederbelebt, war bis zur Einstellung 1992 eine Randerscheinung im Fußballbetrieb. 1984 gewann der SC Eisenstadt diesen Bewerb, woran Clemens Zavarsky in einem Epilogartikel erinnert. „Heute ist davon nichts mehr übrig − Klub, Bewerb und sogar das Stadion sind verschwunden.“

Weiters gibt es im Heft u.a. eine Diskussion zwischen Helmut Mitter als Vertreter der Rechtshilfe Rapid und dem Nationalratsabgeordneten Peter Pilz über politische Debatten um Gewalt und Repession im Fußball. Interessant sind die Hintergründe, die Reinhard Krennhuber zur leider kürzlich erfolgten Einstellung von sturm12.at beschreibt. Auch ohne Sympathie für Sturm Graz habe ich dort nicht nur rund um Rapidspiele immer wieder sehr gerne die Berichterstattung gelesen.

Womöglich aus Fatalismus, vielleicht auch aufgrund harter Analyse der sportlichen Perspektive oder gar aufgrund von Insiderinformationen über den Ausgang der Frühjahrssaison in der zweiten Liga wird Wacker Innsbruck im Heft bereits als „Drittligist“ bezeichnet.

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