Mittwoch, 25. Februar 2009

Legionäre am Ball


Rezension

Barbara Liegl / Georg Spitaler
Legionäre am Ball
Migration im österreichischen Fußball nach 1945
Wien 2008 (Braumüller)
242 S.





Ein wichtiges Buch, das eine von Halbwissen und Vorurteilen geprägte Thematik mit vielen Fakten unterfüttert. Die beiden PolitikwissenschaftlerInnen Barbara Liegl und Georg Spitaler (Ballesterer-Redakteur) analysieren Rollen von und Debatten um ausländische (Profi-)Fußballer in Österreich seit 1945, den "ambivalente[n] Status von 'Legionären' - einerseits als beliebte Idole, andererseits als Objekt von Neid und Kritik".
U.a. haben sie 1.200 ausländische Spieler und Trainer statistisch erfaßt und bieten eine sehr interessante Parallelisierung von Zuwanderung im Fußball mit allgemeinen Migrationstrends nach Österreich, den generellen Regelungen des Arbeitsmarkts mit den historischen Zugangsbestimmungen für Legionäre im österreichischen Fußball. Öffnung wie Abschottung fanden zeitlich verblüffend parallel statt.

Über die Jahrzehnte variierte die Intensität der Debatte um einen "Zustrom" von "Ausländern" (je nach sportlicher Konjunktur), aber wenig die Argumente. Fußball als kein besonderer Teil der Gesellschaft, wie Liegl/Spitaler feststellen:
"Dass die 'Krise' des österreichischen Fußballs ... so bereitwillig mit der Zunahme von 'Legionären' in Verbindung gebracht, und nicht auch nach anderen Gründen für diesen Zustand gesucht wurde, kann als Indiz dafür gewertet werden, wie offen der österreichische Fußball in den späten 1990er Jahren - vor dem Hintergrund des europäischen Einigungsprozesses und einer zunehmend globalisierten Wirtschaft, die sich im Fußball stark abbildeten - für populistische, latent oder explizit ausländerfeindliche, Identitätstheorien war. Gleichzeitig wird dabei deutlich, wie gerade popularkulturelle Fußballdiskurse, die sich gegen die 'Vermengung mit Politik' wehren und auf ihrem 'unpolitischen' Charakter beharren, ausgesprochen politische Effekte kreieren können."

Das gesammelte Zahlenmaterial gibt interessante Fakten her. Etwa, daß die Vorarlberger, Salzburger und Steirischen durchschnittlich mehr Legionäre als die Wiener Vereine beschäftigten (Vergleich des Legionärsanteils mit der Spielfrequenz in der obersten Spielklasse). "Die Wiener Spitzenvereine Rapid und Austria verpflichteten zwischen 1945 und 2005/06 jeweils 16 Prozent 'Legionäre', die steirischen Klubs Sturm Graz und GAK wiesen jeweils etwa ein Fünftel an Spielern mit einem ausländischen Pass auf."
Sehr spannend dabei die regionale Verteilung: Vereine aus Kärnten und der Steiermark haben den höchsten Anteil an Legionären aus dem ehemaligen Jugoslawien, während diese in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland am stärksten aus Osteuropa sowie in Vorarlberg und Salzburg am meisten aus Westeuropa stammten. Netzwerke und Kontakte in bestimmte Regionen sind offenbar langlebig. Dazu konstatieren Liegl und Spitaler "Vorlieben für bestimmte Regionen" bei manchen Vereinen, "die mit den jeweiligen 'Klubmythen' und 'kulturellen Eintrittstickets' verbunden sind."

Sehr lehrreich auch Hintergründe historischer Spielerverpflichtungen. So erzählt der ehemalige Rapid-Klubsekretär Franz Binder jun. über "Ostblock"-Verpflichtungen in den 1980er Jahren:
"[Sintschenko] war an und für sich ein sehr günstiger Spieler, wir haben den Russen gezahlt und die Russen haben ihn gezahlt, das ist sozusagen Technikerleasing gewesen. Anders ist es nicht gegangen, und nachdem das so wenig gewesen ist, haben wir ihm dann noch die Prämien gezahlt. Weil der war am Existenzminimum ... Er hat zwar Wohnung und Auto gehabt, aber er hätte sich sonst nichts leisten können. Genau das gleiche mit dem Panenka. Der Panenka war glaub ich der beste Ausländer, der je bei Rapid gespielt hat - und der billigste. Und auch da haben wir ein Agreement oder eine Entscheidung getroffen innerhalb des Vorstands und des Präsidiums, dass der mehr kriegt als im Vertrag drinnen steht."
Tempora mutantur.

An aktuellem Handlungsbedarf ergibt sich das in einer Fragebogenerhebung von Liegl/Spitaler festgestellte Defizit in der Unterstützung von Legionären beim Besuch eines geeigneten Sprachkurses durch ihre Vereine. Hier wäre ein wichtiger Ansatzpunkt, den die Vereine aus Eigeninteresse angehen sollten.

Zum Leben in Österreich tätiger Legionäre gibt es - wohltuend reflektierte - Interviews mit ehemaligen Spielern und Trainern verschiedener Generationen durch Elisabeth Kotvojs. Ein eigentlich sehr wichtiger Teil des Buchs (zumindest in meiner Rezeption), ihr Name und Beitrag hätte daher eigentlich stärker hervorgehoben gehört.

Zur Frage von Rassismus und Antirassismus hätte ich mir hier mehr über die Fanseite der Fußballwelt gewünscht. Aber man kann in einem Buch natürlich nicht alles haben. Das, was geboten wird, gehört jedenfalls zum Feinsten.

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