Rezension
Rainer Moritz
Abseits
Das letzte Geheimnis des Fußballs
München 2006 (Verlag Antje Kunstmann)
150 S.
Eine hübsche Liebeserklärung an das Abseits. Nett sind vor allem die Beispiele, an denen man sein Abseitsverständnis überprüfen kann. Interessant ist die Abhandlung über das "passive Abseits". Am meisten interessiert hat mich natürlich aber der Abschnitt über die Geschichte der Abseitsregel und der Konsequenzen ihrer Änderungen. Einfach wunderbar ist Zahlenerotik wie die Statistik, daß sich die Zahl der Tore in der englischen Meisterschaft nach der Änderung der Abseits-Regel 1925 innerhalb eines Jahres von 4.700 auf 6.373 erhöht hat. Man sieht die bemitleidenswerten Verteidiger geradezu vor sich! Hier hätte ich mir noch mehr Ausführlichkeit gewünscht, aber da bin ich wohl ein special interest Fall.
Mittelpunkt des Buches ist die Verteidigung des Abseits gegen unwissende Angriffe, die es als nutzlos verschmähen. Moritz' Hauptargument ist dabei die Förderung des intelligenten Spiels:
Abseits beschreibt nicht, was in der direkten körperlichen Auseinandersetzung von Mann zu Mann erlaubt ist, sondern unterbindet bestimmte Positionen der Spieler, die nicht im Ballbesitz sind. Es zwingt somit sowohl denjenigen, der den Ball führt, als auch denjenigen, der das Zuspiel erwartet, dazu, den eigenen Standort, mit Blick auf die gegnerischen Abwehrspieler, unablässig zu überprüfen. ... Die Abseitsregel verlangt den Akteuren ein "geordnetes Verhalten auf dem Feld" ab und sorgt dafür, dass ein Torerfolg "nur mit spielerischer Intelligenz" (Christoph Bausenwein) erzielt werden kann. ... Handball oder Basketball kennen keine Regel dieser Art, und folglich markiert das schnell zu überbrückende Mittelfeld in ihrer Spielpraxis einen Raum von geringer strategischer Bedeutung. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass das Interesse für Feldhandball, das noch nach dem Zweiten Weltkrieg groß war, nicht zuletzt deshalb zurückging, weil das Fehlen einer dem Fußball verwandten Abseitsregel das taktische Variationsspektrum des Kombinationsspiels einschränkte und Feldhandball deshalb vielen als einfallslos und stumpfsinnig erschien. Fußballer hingegen kommen nicht umhin, den - so Stefan Lottermann - "großen Aktionsraum zwischen den beiden Toren, der eine erhebliche strategisch-taktische Dimension innehat", zu nutzen. (S.62-64)
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