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Sonntag, 31. Mai 2020

11 Freunde, 223




Rezension


11 Freunde
Magazin für Fußballkultur
Nr. 223, Juni 2020
116 S.








„Fußball ist eine Droge und gerade läuft ein Massenentzug, bei dem Geisterspiele wie lausiges Methadon daherkommen. Um die Menschen nicht gänzlich zu verlieren, muss die Wende jetzt eingeleitet werden.“ meinen die Chefredakteure Christoph Biermann und Philipp Köster und hoffen, dass aus der Krise eine Neubesinnung des Fußballs zu gesellschaftlicher Verantwortung und dem Stadionerlebnis im Mittelpunkt erwachsen möge. Die Notwendigkeit streite ich nicht ab, aber Anzeichen sehe ich keine.

Themen im Heft sind Anekdoten zum deutschen WM-Sieg vor dreißig Jahren 1990 und dem ersten Meistertitelgewinn der Borussia Mönchengladbach vor fünfzig Jahren 1969/70 sowie eine interessante Reportage aus der Stadt Sialkot im Nordosten Pakistans, wo 60% aller in der Welt produzierten Fußbälle hergestellt werden.

Eine recht ausführliche „Deutschlandreise“ führt zu 150 bekannten und unbekannten Orten mit Fußballgeschichte in Deutschland, aus der man durchaus lernen kann. Eine Station ist dabei der Engländerplatz in Karlsruhe. Zur Illustration dient ein von mir auf Nachfrage zur Verfügung gestelltes Bild.

Donnerstag, 28. Mai 2020

When Saturday Comes, 399



Rezension


When Saturday Comes
The Half Decent Football Magazine
Issue 399, June 2020
48 S.









“The government’s handling of the crisis is said to have caused thousands of needless deaths already. No more lives should be put at even the slightest risk now in pursuit of a good news story.” Der Schlusspunkt des Editiorial zur den Diskussionen über die Wiederaufnahme des englischen Fußballs ist prägnant und klar.

Artikel widmen sich dem Umgang der Fußballwelt mit der aktuellen Lage u.a. in England, Italien oder auch Spanien. Zum Fall Schottland konstatiert David Pollock: “While football leagues worldwide have been plunged into existential alarm by the coronavirus, none has managed to quite so comprehensively make a drama out of a crisis as the Scottish Professional Football League (SPFL).”

Um Schottland geht es auch in der geschätzten Serie Season in brief, in der diesmal die Scottish Premier Division 1982/83 beleuchtet wird. Dundee United wurde zum ersten und einzigen Mal Meister nach einem “three-way battle between United, Alex Ferguson’s Aberdeen – starring Willie Miller, Alex McLeish and Gordon Strachan – and Billy McNeill’s free-scoring Celtic.” Die Meisterschaft wurde in der letzten Runde entschieden. “For the decisive last game of the season, the 29,106 fans squeezed into Dens Park was a record attendance for a Dundee derby.”

Beeindruckend ist wieder einmal das Photo Feature, diesmal zum schönen Thema Away ends.

Montag, 25. Mai 2020

Brückengänger 2




Rezension


Brückengänger
#2
2020
142 S.









Bald nach der Premierenausgabe erschien auch schon das zweite Heft des Osnabrücker Brückengänger, das Berichte von Reisen sowie von Spielen des VfL Osnabrück von Juni bis Dezember 2019 umfasst. Hatte ich in der Rezension des ersten Hefts vermerkt, dass für meine Begriffe der beschriebene Ausflug nach Marokko schon genug an Exotik beinhaltet, sind hier in der zweiten Ausgabe gleich Berichte von einer großen Südostasienreise und zwei Südamerikafahrten enthalten.

Es erfreuen einen Geschichten, dass etwa bei einem Kiew-Aufenthalt im Sommer ein Testspiel von Dynamo Kiew im schönen alten Stadion Dynamo im. Walerij Lobanowskyj angesetzt wird, interessante und mit einigen dabei aufgeschnappten Informationen lehrreiche Erzählungen von Spielbesuchen in Bukarest, noch unbekannte aber beeindruckend aussehende Grounds wie ein Reiterwaldstadion (wo ein Drittel des Publikums aus Hoppern bestand, da das Stadion selten bespielt wird) oder ein von der SpVgg Allmansdorf bespieltes Bodenseestadion.
Ohne dort bisher gewesen zu sein, habe ich doch schon einige sich ähnelnde Gibraltar-Groundhoppingberichte gelesen. Hier habe ich zum ersten Mal von einem Spielbesuch auf der spanischen Seite bei Real Balompédica Linense gelesen und der bekannte Berg ist hier ebenso prägnant im Hintergrund des Stadionpanoramas zu sehen.

Aber auch vom VfL Osnabrück wird wieder berichtet, beginnend mit einem Sommertestspiel beim SV Hellern im Juni 2019. Den eigenen Verein hochzuhalten, seine Spiele zu besuchen und em den gebührenden Stellenwert einzuräumen, ist das wichtigste, und nötigt mir Respekt ab. Auch wenn manche Redaktionsmitglieder quer durch die Weltgeschichte unterwegs waren, kommt doch immer ein Spielbericht von einem, der das Spiel des eigenen Vereins besuchte. Unlängst hatte ich erst den Spielbericht von Osnabrück-Darmstadt von August 2019 im Scheiß AFD gelesen und konnte hier die Gegenansicht aus heimischer Perspektive lesen und so einen Gesamteindruck gewinnen.

Immer wieder interessant es ja, von anderen Herangehensweisen und Reiseerfahrungen zu lesen (Whatsapp, Facebook-Gruppe, Uber) oder davon, einen Tagesausflug zu einem Länderspiel zu machen, um dort einen Länderpunkt zu erreichen (wie hier, durchaus vergnüglich zu lesen, in den Kosovo). Als hier etwa von „18-jährigen deutschen verlausten Backpackern“ als allgemein bekannter Plage zu lesen war, kam ich ins Grübeln, ob ich jemals in meinen Reisen „Backpackern“ begegnet bin oder mit ihnen zu tun hatte. Mir fiel nichts ein. Ich nehme an, dass dies wohl ursächlich mit eigenen Reisegewohntheiten als auch Reisezielen zu tun hat. Ich bin dann eben doch dem 114. Ground in der Slowakei, einem Spiel der Serie D in Italien, einem niederösterreichischen achtklassigen Spiel und vor allem und unbedingt jedem einzelnen Rapidspiel näher als touristischen Destinationen in weiterer Ferne wie Afrika, Asien oder Amerika. Mit freudiger Distanziertheit lese ich dann aber gerne von Abenteuern in arabischen Ländern oder hier im Heft in Indonesien. Fremde Namen, fremde Gegenden, fremde Lebenswelten bieten dann eine faszinierende Lektüre gerade durch ihre Entfernung von meiner Lebenswelt.

Freitag, 22. Mai 2020

Scheiß AFD, 22



Rezension


Scheiß AFD
Fanzine der Usual Suspects Darmstadt
Hinrunde 2019/20
Ausgabe 22
218 S.









Über zweihundert Seiten schwer ist die 22. Ausgabe des Fanzines der Usual Suspects Darmstadt (Vorgängergruppe Allesfahrer Darmstadt = AFD). Mit der Hinrunde 2019/20 blickt sie auf die letzte normale Halbsaison des Fußballs zurück. Aus dem Zeitraum von Juni bis Dezember 2019 liest man hier von diversen Groundhoppingreisen sowie Spielbesuchen des SV Darmstadt und bei den befreundeten Young Boys aus Bern.

Das Darmstädter Sommertrainingslager führte nach Tirol, wo man bei Testspielen in Schwaz auf saufende Feyenoord-Lads und in Zell am Ziller auf rund 1.000 Werder-Fans sowie eine Japanerin traf. Zum 3:3 samt VAR-Entscheidungen hüben wir drüben gegen den FCN liest man wahre Worte: „Diese Videobeweis-Scheiße raubt einem doch nur den Spaß an Fußball. Wenn du bei einem Tor nicht mehr jubelst, wozu gehst du überhaupt ins Stadion? Das Spiel wird aktuell völlig verändert und wenn in einigen Jahren die Stadien nur noch halbvoll sind, dürfen sich dann alle selbst applaudieren. Herzlichen Glückwunsch. Da lebe ich lieber mit zwei, drei bösen Fehlentscheidungen als mit der Abschaffung des Torjubels.“ Auf großer Fahrt war man mit YB im Europacup, u.a. in Belgrad oder Porto.

Viel Hopping gibt es erneut in den Niederlanden, aber auch diverses vom Balkan, aus Italien und von der Insel. Aus Südamerika gibt es diesmal gleich drei Berichte. Interessant ist erneut eine Fahrt mit San Lorenzo: Diesmal liest man hier von einer Auswärtsfahrt in der Copa Libertadores nach Paraguay. Noch mehr von Lateinamerika gibt es von einer Reise einer zweiköpfigen Reisegruppe in Panama und Kolumbien sowie einer weiteren Reisegruppe durch Mexiko zu erfahren.

Auch in Deutschland waren die verschiedenen Autoren gut unterwegs und man liest Berichte von Spielbesuchen der Kracher-Kategorie Kaiserslautern-Waldhof bis hin zum beschaulich-amüsanten Unterhaushopping, wo man etwa vom Spiel zwischen dem FC Körle und FC Eichenzell in der Verbandsliga Hessen-Nord berichten kann: „Und ob ihrs glaubt oder nicht. In der zweiten Hälfte fuhr tatsächlich ganz dorfplatzklischeemäßig ein Traktor vorbei. Ganz genauso spannend war's in der Schwarzwald-Kampfbahn.“

Das Auflachen beim Lesen des Hefts kann man nicht verschweigen. Aus dem Spielbericht von FC Gießen gegen 1. FC Saarbrücken: „Ich konnte einfach nicht anders. Es war offensichtlich, was der ,Vorsänger‘ der Supporters Gießen in wenigen Bruchteilen von Sekunden wenige Meter neben uns anleiern würde. Der perfekte Moment für einen dieser klassischen Alex-Witze, denen in meinem Umfeld eine gewisse Hassliebe entgegenschlägt. Die möglichen Stirnklatscher bei Seite gewischt, nutzte ich also die Gunst der Stunde, um meinen drei Gruppengenossen unerwartet eine Frage zu stellen: ,Was müsst Ihr tun, wenn eure Blumen kurz vorm Vertrocknen sind?‘ Das Timing gelang – die Zeit genügte kaum für konsternierte Blicke hinsichtlich dieser Frage, da schrien gut 30 Mann direkt neben uns lautstark: ,Gießen! Gießen! Gießen!‘ Die Stirnklatscher waren mir mal wieder sicher.“ Auch für solche Momente liest man Fanzines.

Dienstag, 19. Mai 2020

Trespass V




Rezension


Trespass
Ausgabe V
2019
280 S.









Eine bunte Mischung an Fußballreisen in vier Kontinenten und zwanzig Ländern bietet das Frankfurter Groundhoppingheft Trespass.

Eine Hälfte des Autorenteams habe ich vor einem Jahr in Andria getroffen. Süditalien ist für mich ja aus Allesfahrer-Zeitgründen eher am äußeren Rand des Reiseradius – meine am weitesten von Wien entfernten Spielbesuche waren jeweils Rapid-Pflichtspiele in Tel Aviv (Luftlinie 2.368 km von Wien) und Tiflis (2.339 km) und die am weitesten entfernten Groundhopping-Spielbesuche in Faro (2.335 km) und Adana (1.981 km) habe ich auch nur im Rahmenprogramm von Rapid-Wintertrainingslagern vor Ort unternommen. Von ganz anderem ist hingegen hier im Heft zu lesen: Im Berichtszeitraum von Oktober 2017 bis November 2018 finden sich Expeditionen nach Ostafrika, Nordamerika sowie Bahrain und den Libanon.

„Tatsächlich hat es zum ersten Male ein Bericht über ein Eintrachtspiel ins Heft geschafft. Und dann gleich drei.“ heißt es fast entschuldigend im Vorwort. Da ich die Kombination von Spielbesuchen des eigenen Vereins mit Groundhoppingreisen schätze – wie ich es selbst praktiziere – und davon gerne lese, finde ich das persönlich gut. Man liest Hefte ja nicht nur zur Informationsgewinnung und Unterhaltung sondern auch nach Gebrauchswert für die eigenen Fußballreisen. Eine (sehr hypothetische) Testspielreise meines Vereins in die USA wie hier der Frankfurter Eintracht wäre dann schließlich auch für mich ein Anlass, dort hinzufahren und eine ähnlich gelagerte Fußballtour zu unternehmen.

Die Reiserouten im Heft sind teils kreativ kreuz und quer, wenn es mit Autor Ede über einen Fußballhalt in Lissabon nach London geht oder erst nach Nordirland, von dort nach Italien und dann von da weiter nach Albanien. Ein anderes Mal geht es nach Catania und dann über ein Spiel in Belgrad nach Nordmazedonien. Vom Ausflug nach Tetovo zum Spiel Shkëndija gegen Vardar Skopje war es spannend zu lesen. Das hat sehr reizvoll geklungen und ausgesehen.

Im Herbst 2017 war ich ebenfalls auf den hier berichteten Spielen Middlesbrough-Birmingham am 22. November und Everton-Atalanta am 23. November und habe dort grosso modo ähnliche Eindrücke mitgenommen.
Apropos Italien – vom bel paese gibt es zahlreiche Hoppingberichte, was das Herz stark erfreut. Der orange Rauch, den Ösch bei seinem Besuch bei Cavese sehen durfte, sieht sehr gut aus. Mit Bari-Foggia wurde ein Highlightspiel besucht. Im November 2018 haben wir uns verpasst, als Ösch Paganese-Cavese wählte, während ich zeitlich beim von ihm im Text auch angesprochenen Potenza-Matera am Samstag weilte und ich am Sonntag nur wenig entfernt Savoia-Andria besuchte während er bei Turris-Castrovillari war. Hier in Kampanien gibt es einfach zu viel Gutes als dass man alles gleichzeitig sehen könnte. Der von ihm im Turris-Bericht genannten Sportpeople-Kollege könnte der geschätzte Andrea gewesen sein, mit dem ich zuvor in Torre Annunziata Wiedersehen gefeiert und geplaudert habe, bis er sich nach Betrachtung des Savoia-Intros mit der Circumvesuviana nach Torre del Greco zur Begutachtung des dortigen Tifo aufgemacht hatte.

Daneben gibt es auch von schönen kleineren Besuchen wie SC Schiltigheim gegen AJ Auxerre im französischen Cup oder Bayreuth in der deutschen Regionalliga zu lesen. Viele Berichte sind mit Zitaten eingeleitet. Ganz durchschaut habe ich das nicht, aber es dürften mir unbekannte musikalische Referenzen sein. Ein gutes Heft.

Samstag, 16. Mai 2020

1899fm – Folgen 28 und 29




Rezension


Heinz Deutsch
1899fm
Rapidfunk
1899fm.net







Peter Klinglmüller ist mit Unterbrechung seit zwei Jahrzehnten Medienverantwortlicher bei Rapid und erzählt in Folge 28 von seiner Tätigkeit. Zur Funktionsbeschreibung als – wie es offiziell heißt – Direktor Kommunikation, Medien & PR, sagt er: „Mir ist lieber ,Pressesprecher‘. Bei ,Direktor‘ denke ich immer an die Schulzeit und die hat mir nicht so getaugt.“ Er unterstütze den Podcast, wie er das bei anderen kreativen Projekten von Fans wie Forza Rapid auch tue. Dass dies keine Selbstverständlichkeit sei, hält Heinz Deutsch mit Verweis auf die Erfahrung deutscher Podcast-Kollegen mit ihren jeweiligen Vereinen fest. Die Schilderung seiner Fanbiographie, die Heinz Deutsch traditionell zu Beginn erfragt, geht bei Klinglmüller in die Erzählung über, wie er über einen Studentenjob in Berührung mit dem Verein kam, Verbesserungsvorschläge einreichte und von Andy Marek ins neugegründete Klubservice aufgenommen wurde. Mit 27 Jahren schrieb er eine Job Desciption für einen Pressesprecher und wurde von Werner Kuhn im Jahr 2000 angestellt. Von 1.7.2006 bis 31.1.2012 arbeitete er zwischendurch beim ÖFB und nennt für diese Zeit als Höhepunkte die drei Turniere U19-EM in Oberösterreich, die EM 2008 und die U20-WM in Kolumbien.
Von den Aufgaben her habe sich die Medienarbeit in zwanzig Jahren stark verändert. Als er in der ersten Woche als Rapid-Pressesprecher die Aussendungen von Fax auf E-Mail umgestellt habe, habe es einen Aufschrei gegeben. Die massivste Veränderung sei, dass alles schneller geworden ist. Rund um das Spiel sei heute im Ablauf alles viel reglementierter als zu Beginn der 2000er Jahre. Mit ersten richtig professionellen Bedingungen habe man 2005 in der Champions League zu tun gehabt − mittlerweile seien die Vorgaben der Europa League strenger als damals dort. Als Kuriosität berichtet er von einer Begebenheit bei der Champions-League-Pressekonferenz des FC Bayern München 2005, als sich in den Mauern des Happel-Stadions eine Fledermaus in den Raum verirrte und herumsauste.

Um die Lords Rapid geht es in Folge 29, in der Chris und Moriz zu Gast sind. Zu den „Frühzeiten“ ihres Fanlebens gefragt, erzählt Moriz wie er als Kind fasziniert wurde und wie er 2010 sein letztes Rapidpiel verpasst hatte, weil er von der Sprachreise mit der Schule wegen Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull und der damaligen Einstellung des Flugverkehrs nicht heim konnte. Auch Chris erzählt, wie er „immer mehr hineingewachsen“ ist und 2004 auf die Ost ging. Zur virulenten Thematik der Geisterspiele wird festgehalten, dass man die aktuelle Situation natürlich sehe, aber es nicht so sein dürfe, dass „die Saison mit Geisterspielen durchgedrückt wird und das Produkt Geisterspiele dadurch salonfähig wird“. Da liege eine Gefahr.
„Ich bin von Sekunde 1, wo ich bei Lord Rapid war, auch Vorsänger,“ berichtet Chris aus der Fanklubgeschichte und seinem persönlichen Werdegang. Von Ultrà sei man am Anfang noch weit weg gewesen, das sei gewachsen. Die ersten Saisonen wären „rein von Spaß und Liebe zu Rapid geprägt“ gewesen. Nach zwei Saisonen habe man ernsthafter gearbeitet. Moriz verweist auch darauf, dass die Gruppe zu Beginn extrem jung war. Größter Sprung bei den Choreos wäre 2010 gewesen. Die Nachricht vom Stadionabriss und damit dem Ende der gewohnten Ostkurve kam plötzlich: „Das war 2014, wo wir mitten in den Vorbereitungen für das zehnjährige Jubiläum gesteckt sind und gerade eigentlich für die Saison 2014/15 auf das Hanappi ausgemessen an unserer Zehnjahres-Choreo gemalt haben,“ erinnert sich Moriz, „und auf einmal kommt die Meldung: Das Hanappi wird dann nicht mehr stehen, wo ihr die Choreo machen wollt's.“ In Tag- und Nachtarbeit sei dann binnen drei Wochen die Choreo fertiggestellt worden, damit sie beim Abschiedsspiel gezeigt werden konnte. Der Stadionabriss wäre der denkbar schlechteste Zeitpunkt für sie gewesen, da die Ostkurve damals am Höhepunkt gewesen sei. Im neuen Weststadion sei es für sie „ein ganz anderes Stadionerlebnis.“ Als Einsergruppe in der Ostkurve habe man einen ganz anderen Zugang gehabt. Der Verein bemüht, das neue Weststadion in Zusammenarbeit mit der Szene bestmöglich zu gestalten. Besonders leiwand könne er es aber nicht finden, so Chris, „weil ich ganz einfach nicht vom Hanappi-Stadion abgenabelt bin, weil ich ganz einfach kein modernes Stadion haben will.“
„Es ist ein Projekt, was wir leider eingestellt haben.“ tut Chris zum Fanzine Ostbote kund. Es habe Spaß gemacht, daran zu arbeiten. Aber das Interesse an Fanzines gehe generell in der Kurve zurück. So sei es zwar schade darum, „aber auf Muss durchpeitschen macht keinen Sinn.“

Mittwoch, 13. Mai 2020

Der Kompass, 7





Rezension


Der Kompass
Ausgabe 7
2020
160 S.








16 Länder und 36 Spielberichte lässt einen Heftautor Kev in der siebten Ausgabe des Kompass aus Halle miterleben. Von ihm stammen alle Texte. Kollege Veverka kommt zwar im Reisebericht vor, doch gleich auf der ersten Seite des Hefts wird die Nachricht seines Todes im Jänner 2020 mitgeteilt. RIP.

Touren führten von September 2018 bis August 2019 u.a. zweimal auf den Balkan, nach Portugal, auf die Insel, durch Italien oder nach Moskau und St. Petersburg in Russland. Straßenszenen-Bilder aus der Stadt Minsk riefen beim Lesen Erinnerungen an die auch schon wieder einige Jahre zurückliegenden eigenen Besuche dort wach.

Interessant war es, vom Dérbi do Minho zwischen Vitória SC und SC Braga 2018 in Guimarães zu lesen (ausverkauft mit 26.170, darunter 1.000 Gäste). Ein Ziel, das mir neu war, aber die Eindrücke klingen hier recht vielversprechend: „Der Vorhang fiel im Anschluss, was folgte waren erste intensive Lieder aus den Kehlen der heimischen Anhänger. Auch die übrigen Stadionbesucher stimmten voller Inbrunst mit ein. Mich füllte eine vollumfängliche Gänsehaut aus und ich musste mich beinahe selber kneifen. ,Bin ich hier tatsächlich in Portugal?‘ Denn auch das was folgte war wild und teilweise abnormal. [...] Die Gästefans kaufen im Anschluss in Hälfte zwei dem heimischen Anhang mehr und mehr den Schneid ab. Ich bin wirklich begeistert vom Auftritt der Gäste. [...] Dieses Duell strotzt nur so vor Frische und Explosivität.“ Spannende Sache.

Aus deutschen Landen gibt es den einen und anderen Bericht, so u.a. von TV Herkenrath gegen den Wuppertaler SV im November 2018, wo sich auch interessierte Auswärtige einfanden. „Die fröhlich fotografierenden Groundhopper, zwei Reihen unter mir, sind nun allerspätestens Freiwild für die sogenannten Wuppertaler Hopperklopper, denke ich mir noch, als plötzlich ein anderer Hopper mit SpVgg Unterhaching Wintermütze auffällt. Ich erwische mich doch tatsächlich, wie ich aufgrund von so viel Dämlichkeit zu grinsen anfange. Passieren tut hier heute allerdings niemanden etwas, auch wenn die ein oder anderer Personengruppe aus dem Kreise von Ultras Wuppertal in der Halbzeitpause auch die Stehtraversen abschreitet.“

Das Heft ist erneut eine kurzweilige Lektüre, die gut gefällt. „Lesen ist Abenteuer im Kopf.“ heißt es in einem bekannten Sinnspruch. Da Reisen derzeit nicht möglich sind, sind solche Leseabenteuer noch schöner und wichtiger.

Sonntag, 10. Mai 2020

Ballesterer 151




Rezension


Ballesterer
Nr. 151, Mai 2020
84 S.










Gleich in die Welthauptstadt des Fußballs, nach Buenos Aires, entführt einen der Ballesterer gedanklich in dieser fußballfreien Zeit. „Im Großraum Buenos Aires mit seinen aktuell zwölf Erstligisten in der 24er-Liga und seinen weltweit unübertroffenen rund 80 Profi- und Halbprofiklubs bei etwa 14 Millionen Einwohnern gibt es überall und beinahe täglich Derbys.“ Nino Duit erzählt auf Basis seiner Eindrücke in Jänner und Februar von Buenos Aires und interviewt Javier Pinola. Da ich selbst nie hinkommen werde, weil das ohne Rapid zu vernachlässigen nicht möglich ist, ist es immer wieder umso spannender, von dort zu lesen. Offen ist allerdings, in welchen Zeiträumen die durcheinandergewürfelte Fußballwelt in den kommenden Jahren wieder zu sich finden wird und ob sich hier ein Zeitfenster öffnet. Ausgehen kann man davon nicht. Bis dahin lese ich Texte wie hier über ferne Welten.

Die Pandemie-Gegenwart in der „neuen Abnormalität“, wie sie das treffend nennen, ist Thema einer Rundumschau von Mario Sonnberger und Thomas Unger in der österreichischen Fußballwelt. Dazu gibt es weiters ein Interview von Kai Tippmann mit der Curva Nord Bergamo.

Für den Slowakei-Groundhopper in mir waren Wenzel Müllers Bericht und Fotos von einem Universitätssportplatz in Bratislava unter einer Autobahnbrücke ob dieser Kuriosität hochspannend. Wenngleich der Kunstrasenplatz nicht bemerkenswert aussieht und die im Text angesprochene Frage der Abgase wohl auch nicht sonderlich für diesen Standort spricht, ist das Futbalový štadión doc. Kačániho für künftige Zeiten im Gedächtnis vermerkt. Mehr kann der Groundhopper in der Gegenwart ohnehin nicht tun. Was man tun kann, ist lesen. So kann man etwa hier im Hoppingbericht von Thomas Lanz über Vicenza lernen: „,Nobile decaduta‘, verarmte Adelige, nennt man in Italien einen Verein, der eine große Geschichte hat, aber tief gefallen ist.“

In meiner Amateurfußballreihe Nebenschauplätze betrachte ich diesmal die WSV-ATSV Ranshofen im oberösterreichischen Innviertel.

Weiterhin ein Thema ist die mit dem letzten Heft gestartete Kampagne Ballesterer brennt. Durch die Coronakrise hat sich die Frage verschärft: Im Begleitschreiben für die Abonnentinnen und Abonnenten wird der Ausfall von 20.000 € durch nun gestrichene Inserate genannt. Die Aufzählung von Initiativen und Solidaritätsbekundungen im Heft ist bemerkenswert. Die Zahlen der Zwischenbilanz der „Löscharbeiten“ lassen aber auf weiteren Bedarf an Löschwasser schließen. So gilt weiterhin: rettet.den.ballesterer.at

Donnerstag, 7. Mai 2020

11 Freunde, 222




Rezension


11 Freunde
Magazin für Fußballkultur
Nr. 222, Mai 2020
116 S.








„Nun aber ist die Fußballblase nicht mit lautem Knall geplatzt, sondern ihr ist einfach und unspektakulär die Luft ausgegangen.“ resumiert Chefredakteur Philipp Köster zum Stillstand des Fußballs nach den immer weiter auf die Spitze getriebenen Finanzexzessen des Profifußballs. Er erwartet eine Läuterung: „Wer jetzt nur auf sein eigenes Konto starrt und Solidarität für einen sozialistischen Kampfbegriff hält, wird am Ende dafür teuer bezahlen. Auch weil die Anhänger anders auf den Fußball und seine Akteure blicken werden. Es werden jene gestärkt aus der Krise hervorgehen, die gezeigt haben, dass die Beziehung zu den Fans nicht nur aus hohlen PR-Phrasen und Instagram-Postings besteht.“ Eine mutige Hoffnung.

Das Heft besteht hauptsächlich aus versammelten Erzählungen von Spielern und Trainern über besondere Momente des Fußballs. Mit manchen kann man sich identifizieren, wenn etwa Christian Streich vom Besuch des Europacupfinales zwischen dem FC Barcelona und Fortuna Düsseldorf als 13-jähriger an der Seite seines Vaters im nahen Basel 1979 erzählt und wie ihm ein Barça-Fan in der Straßenbahn Kappe, Schal und Anstecker schenkte. Andere sind eher fragwürdig, wie Selbstmitleid eines Heribert Bruchhagen darüber, dass er einst 1999 zur Spielerbeobachtung zu einem U21-Länderspiel in eine Kleinstadt im schwedischen Nirgendwo eine Dienstreise unternahm. Dazu gibt es viele und großteils sehr schöne Fotos, welche den Hauptwert des Hefts ausmachen.

Stadionposter gab es in dieser Ausgabe nicht.

Montag, 4. Mai 2020

When Saturday Comes, 398



Rezension


When Saturday Comes
The Half Decent Football Magazine
Issue 398, May 2020
48 S.









Ich schätze die Lektüre von Printmedien sehr. Leider traf am 7. April ein E-Mail folgenden Inhalts ein: “Due to the Covid-19 outbreak, we have unfortunately been forced to suspend overseas subscriptions. This is due to each country having different import rules, and the reduction in the number of flights causing shipping costs to increase dramatically.” Daher kann ich das Heft derzeit nur in Form des E-Paper online lesen.

Die Coronavirus-Pandemie hat alle und alles betroffen. “So the confident prediction made in WSC 396 – that Liverpool would wrap up the Premier League title during March – didn’t come to pass, due to an unforeseen circumstance.” stellt das Editorial fest. So ist das Hauptthema des Hefts auch der Umgang mit der plötzlichen Stop des Fußballs und der andauernden Krise. Kieran Maguire beschäftigt sich mit den Folgen: “For clubs without rich owners, who themselves may be experiencing a cash crisis, drastic action is needed. The most likely means of achieving this is via wage cuts (seen at Hearts and Birmingham), threatened job losses (Barnet) or a combination of the two.” und resumiert “In theory some good could come from this, if the game learns that it has been living beyond its means for far too long. [...] But it is hard to imagine owners looking after anything other than their own self-interest.”

Harry Pearson wiederum widmet sich in nostalgischer Erinnerung in den 1960er und 1970er Jahren auf der Insel üblichen Klopapierrollenwürfen auf das Spielfeld: “The pockets of parkas were so stuffed with lavatory paper they bulged like Puskas’ waistband and at matches up and down the land thousands of rolls were lobbed out of the ends behind the goals before the game and again at the interval until the posts and net looked like they’d been bandaged by a child.”

Weitere Themen im Heft sind Ligareformdiskussion in Argentinien, das Jubiläum des französischen Meistertitels von Nantes 1994/95 oder der sechswöchige Kampf von Fans von Hibernian und Hearts gegen Fusionsideen zu einem Edinburgh United 1990.

Freitag, 1. Mai 2020

Tifo 1/2020



Rezension


TIFO
Das Fanzine von Gate 2 Admira
Ausgabe 1/2020
8 S.










Das für das erste Heimspiel im Play-off der Bundesliga Mitte März geplant gewesene Heft der Gruppe Gate 2 Admira wurde nun online gestellt, da ein Verteilen im Stadion angesichts der Perspektive Geisterspiele nicht mehr möglich sein wird.

Mit dem Rapid-Sieg in der Südstadt im Dezember 2019 beginnen die fünf Spielberichte. Neben dem sportlichen Geschehen (souveräner Sieg) blieben hier wie so oft Wetterkapriolen in Erinnerung. „Der scheiß Wind ließ den Rauch (leider) schnell verziehen, dennoch ergab die Choreo ein schönes Bild.“ wird das Intro im Heimsektor bilanziert und Dank für die Unterstützung der karitativen Aktion für bedürftige Kinder geäußert. „Als wären die großzügigen Becher- und Geldspenden an den Eingängen nicht genug, übergaben uns Vertreter diverser Gruppen des Block West eine unglaubliche Anzahl an Bechern. Außerdem sammelten sie hunderte Euro an Geldspenden. DAS IST ULTRA! Respekt Block West!“

Beim nächsten Heimspiel im Februar konnten dann 4.201,50 € an Kinder stärken übergeben werden − mehr als doppelt so viel wie in den Vorjahren, wie zu lesen ist. Der Bericht vom Spiel gegen St. Pölten sticht in weiterer Folge natürlich hervor. Neben emotionalen Schilderungen des Verlaufs ist hier auch zu lesen: „Erwähnen wollen wir eine Aktion der SKN-Fans, welche weniger durch Support, dafür aber mit einem Spruchband auf sich aufmerksam machten. ,Gemeinsam gegen Choreoverbote‘ stand dort geschrieben. Dieser Botschaft können wir uns im Namen der Fanlkultur nur anschließen. Trotz aller Rivalität wurde vereinbart, dass man sich bei kommenden Derbys gegenseitig bei der Genehmigung von Choreographien unterstützt.“

Weitere Themen im Heft sind die parallelen Fankongresse von Bundesliga und Fanszenen in Linz im Jänner 2020 und eine Stellungnahme zur Umorganisierung seitens des Finanziers des Vereins, der eine „Global Soccer“-Einheit über seine Fußballvereine spannte. Man berichtet, dass das Gespräch mit dem Verein darüber gesucht und Anliegen besprochen wurden. „Ein RB 2.0 darf es in der Südstadt jedenfalls NIEMALS geben!“ heißt es.

Da das Heft schon vor der Unterbrechung des Spielbetriebs fertiggestellt war, ist das Danke-Spruchband der Südstadt Fanatics vor dem Mödlinger Krankenhaus anlässlich der Coronakrise nicht enthalten. Aufgrund der Vorproduktion des Hefts finden sich auf der letzten Seite auch noch die ursprünglichen Spieltermine der Runden in März und April. Aus einer immer ferneren Vergangenheit.