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Donnerstag, 18. März 2021
irgendwo 4
Rezension
irgendwo
Ausgabe 4
Januar 2021
124 S.
„Ein Jahr voller Entbehrungen liegt nun schon hinter uns, in dem aber auch nicht alles schlecht war.“ resumiert Sebastian W. aus Saarbrücken das Jahr 2020 aus Groundhoppingsicht. Im Unterschied zum vorigen Heft gibt es umständehalber weniger Weltreise und mehr Fanzinerezensionen. Berichte von 27 Fußballspielen aus dem Jahr 2020 füllen aber auch dieses Heft. Wobei weiterhin nur wenige Spiele besucht werden: „Ich bin mir selbst treu geblieben. Kein blinder Ansturm auf tschechische Testspiele, nur weil die Grenze dort als erstes wieder offen war und es jeder so gemacht hat. Auch in der aktuellen Zeit habe ich ausschließlich Spiele besucht, an denen es irgendetwas gab, das mich interessiert hat oder auf die ich einfach Bock hatte.“ Mir selbst lege ich keine Askese auf, aber als Freund des Amateurfußballs interessieren mich wohl mehr Spiele. Leute, die keine Lust auf ihre jeweiligen Spielbesuche haben, könnte ich ohnehin nicht verstehen.
Aus den ersten Monaten des Jahres 2020, als das Leben noch unbeschwert war, liest man von Spielbesuchen im Coupe de France, in der deutschen 3. Liga und 2. Bundesliga sowie aus San Marino, wo Sebastian dasselbe hauptstadtnahe Stadion wie ich ein Jahr zuvor besuchte und dabei dieselbe Fußgänger-Erfahrung machte, die ich auch teilte: „Dass die Strecke komplett aus einem Gefälle bzw. für den Rückweg dann aus einer Steigung bestand, verschweigt Google Maps ja immer gerne.“ Nach San Marino und zurück war er offenbar mit derselben Busverbindung von Rimini aus unterwegs, die ich ebenfalls genutzt hatte. Der Tag dürfte recht parallel gelaufen sein, auch mit Stadtbesichtigung am Vormittag. Als Abendprogramm hatte ich 2019 nach dem Nachmittagsspiel noch einen erneuten Besuch in Bologna, das Trenitalia sei dank von Rimini aus flott zu erreichen war. Sebastian hatte für den Abend sogar passenderweise in Rimini selbst ein Spiel am Plan. Dieses wurde aber auf den Nachmittag verschoben, sodass keine Kombination möglich war, wobei ein Busfahrerstreik noch dazu den Weg aus Rimini auf den Berg hinauf erschwerte und in den Straßen von Rimini zahlreiche Plakate der Ultras zum Stadionbesuch mobilisierten. „Was tat ich also? Richtig, ich ging nicht zu Rimini – Modena (schon beim Schreiben dieser Zeilen kann ich förmlich hören, wie sich die Italien-affinen Leser mit der Hand an die Stirn klatschen, sondern betrachtete den Länderpunkt San Marino nun als Herausforderung.“ Ich zeige auf: Ja, ich bin einer dieser Auf-die-Stirn-Klatscher. Auch wenn ich den Länderpunkt-Zugang nachvollziehen kann, hätte ich persönlich mich anders entschieden. Rimini ist schon sehenswert und Modena würde, wenn Auswärtsfans erlaubt sind, auch gut sein. Aber das ist eben nur meine Sichtweise und wie eingangs geschrieben, muss man eben Lust auf seine Spielauswahl haben. Sebastian zieht im Heft jedenfalls eine mit seiner Wahl San Marino zufriedene Bilanz: „Dann muss ich eben nochmal nach Rimini kommen, da gibt es glaub' ich Schlimmeres.“
Ungeahnt Schlimmes lernten wir dann alle später kennen. Nach viermonatiger Coronapause zog es Sebastian nicht, wie oben angesprochen, dorthin, wo als erstes wieder Spielbesuche möglich waren. Stattdessen setzte er sich erst Mitte Juli 2020 fünf Stunden ins Auto, um in der Schweiz das Zweitligaspiel des FC Wil gegen die Grasshoppers zu besuchen. Doch das Virus war schneller: Vor Ort musste er feststellen, dass das Spiel wegen eines Coronafalls beim GCZ am Nachmittag abgesagt worden war. Der erste Spielbesuch der Corona-Neuzeit fand eine Woche später bei Górnik Zabrze statt, wo wie in ganz Polen 25% der Stadionkapazität offen war. Wil wurde dann noch nachgeholt und von dort reiste Sebastian nach Tirol, wo er ein TFV-Cupspiel besuchte, einen Berg bestieg und sich über das Bergpublikum wunderte: „Da sitzen welche zu dritt auf einer Bank mit dem schönsten Alpenausblick, den man sich nur vorstellen kann und klimpern alle 3 auf ihren Smartphones rum. Warum tun die sich die Mühe des Aufstiegs überhaupt an?“ Weiters gibt es hier von einer Finnland/Estland-Tour im August zu lesen, wo das Derby zwischen TPS Turku und Inter Turku das interessanteste Spiel war. Dazu hat Sebastian auch ein Interview mit jemand von der Armada Turku geführt, aus dem für mich Neues aus einer unbekannten Ecke zu erfahren war. Dazu liest man von Hopping im geographischen Umkreis des Autors im September, also in Belgien, Luxemburg und Frankreich und einen Bericht vom interessant aussehenden Waldstadion am Erbsenberg des VfR Kaiserslautern.
Ich finde es positiv, wenn in Hoppingheften der jeweils eigene Verein vorkommt, da ich selbst bei aller Liebe für das Reisen und Hoppen die Spielbesuche beim eigenen Verein für zentral im Fußballleben halte. Hier im Heft findet sich einerseits ein schön emotionaler Spielbericht vom DFB-Pokal-Viertelfinale des 1. FC Saarbrücken gegen Fortuna Düsseldorf, das noch normal mit Zuschauerinnen und Zuschauern stattfand („Das Grinsen in meinem Gesicht hielt sich noch für Tage, nach diesem Dienstag, den 3. März 2020 ...“) und andererseits ein Bericht von einem Saarbrücker Freundschaftsspiel in Nancy im August 2020, das aufgrund des beiderseitigen Supports der befreundeten Fanszenen ein besonderes Erlebnis war. Ich kann die folgenden Worte als Fan gut verstehen. Gerne mehr solcher Art in Zukunft: „Ich weiß nicht, ob man meine folgenden Gedankengänge als neutraler Leser nun so nachvollziehen kann, aber es war definitiv etwas besonderes, das erste Mal nach einem halben Jahr wieder den Geruch von Bengalos und Rauchtöpfen in der Nase zu haben und zwar nicht bei einem Derby in Belgrad oder Budapest, sondern bei einem Spiel des eigenen Vereins und dazu noch bei einem Gegner, der in der eigenen Wahrnehmung quasi ebenbürtig ist. Der Geruch, die Gesänge, der Anblick. Es war heute einfach nur das perfekte Spiel, das so unglaublich viel Kraft gibt für alles, was noch folgen mag!“ Spannend sind darüber hinaus hier ein Text aus Nancy und ein Interview aus Saarbrücken über die Freundschaft zu lesen.
Als Nachschlag wird ein Erinnerungstext an einen Celtic-Besuch 2016 samt ersten Erfahrungen als Fußballreisendem geboten sowie ein Informationstext über das WM-Qualifikationsspiel zwischem dem Saarland und der Bundesrepublik Deutschland 1954 und übersetzte Berichte von zwei polnischen Spielen mit Ausschreitungen in Katowice und Opole 1998. Coronabedingt noch etwas umfangreicher als hier bereits gewohnt fallen die Fanzine-Rezensionen im Heft aus. Ich kann zustimmen, dass dies immer interessant ist, da „man so auch mal auf noch unbekannte Hefte stößt oder die eigenen Leseeindrücke mit denen von anderen Lesern vergleichen kann.“ Da ich kein Freund von Rankings bin, ist eine Fanzine-Top-10-Liste nichts für mich. Die Vielfalt und Breite an vorgestellten Heften erfreute mich aber. Fanzinelesen ist leiwand.
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