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Donnerstag, 21. August 2025

Győri ETO – Rapid 2:1 (0:0)

UEFA Conference League, Play-off (4. Qualifikationsrunde), Hinspiel, 21.8.2025
ETO Park, 8.055

Rapid-Niederlage im Europacup-Hinspiel in Győr. Rapid spielte eh, aber das erste Tor machte ETO gleich nach der Pause. Ein Weckruf, da danach mehr ging und der Ausgleich erzielt werden konnte. Das 1:1 wäre noch ein okayes Resultat gewesen, aber ein Weitschusstreffer der Heimmannschaft brachte das 2:1, was die Ausgangslage für das Rückspiel schwieriger macht. ETO, die in der vorherigen Runde AIK aus dem Bewerb geworfen hatten, zeigten, dass dies wohl nächste Woche eine sehr enge Partie werden wird. Rapid hat einen Rückstand aufzuholen und zu drehen.
Im Sommer war Jovan Živković (ausgesprochen wie das zweite S von STS) hierhergewechselt, der zwei Jahre bei Rapid am Sprung in die Kampfmannschaft gewesen war, es aber letztlich nur auf neun Pflichtspieleinsätze gebracht hatte. Auch bei ETO saß er hier nur auf der Bank.
„Mindent bele Rapidosok“ (frei übersetzt „Vorwärts Rapid“) war in passender ungarischer Sprache der Spruch der Choreographie der Tornados, den sie ja auch seit längerem auf einem Doppelhalter haben. Die Freundschaft zu Ferencváros war hier natürlich der Hintergrund. Mit einem lauten „Ferencváros!“ meldete sich der Rapidblock vor Spielbeginn, nachdem aus dem Heimsektor schon Rufe gegen Fradi zu hören gewesen waren und danach von dort auch „Scheiße Rapid“-Rufe kamen. Für das Wort Scheiße reichen die Deutschkenntnisse ja oft. Nur 350 Karten hätte Rapid aufgrund der beschränkten Kapazität im eigentlich 16.000 Plätze umfassenden Stadion erhalten. Es kamen dann 200 dazu und am Schluss vor wenigen Tagen nocheinmal 50. Nur eineinhalb Stunden von Wien entfernt, ist das eine doch sehr geringe Anzahl. Viele versuchten ihr Glück mit Kartenkauf auf der Heimsektortribüne, wobei einigen die Karten wieder storniert wurden während es anderen gelang und sie inkognito das Match dort verfolgten. Gar nicht so wenige buchten kostspielige Zimmer im Stadionhotel mit Blick in das Innere von den Fenstern oder reservierten sich einen Tisch im Hotelrestaurant, von dem man ebenfalls auf die Terrasse konnte. Hotelfenster waren mit Rapid-Sachen geschmückt und ein Wechselgesang zwischen Gästesektor und Hotelterrasse war doch etwas Ungewöhnliches. Nürnberg wurde ebenfalls begrüßt und die Ultras Rapid zeigten am Schluss ein Spruchband zu einem aktuellen Todesfall.
Der Vereinsname Egyetértés Torna Osztály hing auf einem großen Fetzen vor dem Heimfansektor im oberen Rang der Längsseite. Dahinter hing die Gruppe Infinite Unity und ein Banner für den 2004 24-jährig verstorbenen Fußballer Miklós Fehér. Ultrá Arrabona war an Leiberln zu erkennen. Bei meinem letzten Spielbesuch hier in der ungarischen Meisterschaft vor 15 Jahren standen diese Gruppen noch gegenüber auf der Osttribüne (keleti lelátó), die aber dafür nunmehr nicht mehr offen ist. Auf der Westtribüne (nyugati lelátó) waren u.a. Westside veterans zu sehen. Neben Unfreundlichkeiten für das Gegenüber kamen aus ihrem zum großen Spiel großen Fanblock Anfeuerungen wie „Hajrá ETO“, „Hajrá Győr“, „Hajrá Győri ETO“ oder die ungarischen Klassiker „mindent bele“ und „ria ria Hungaria“.
Der Győri ETO FC wird kurz einfach nur ETO genannt. Die Abkürzung steht für Egyetértés Torna Osztály, frei übersetzt „Gemeinsamer Turnverein“. Der Klub wurde 1904 als Sportverein der Waggonfabrik als Győri Vagongyár ETO gegründet. In der Nachkriegszeit erfolgten zahlreiche Vereinsnamensänderungen, u.a. 1945 bis 1951 Győri Vasas ETO, 1951 bis 1957 Győri Vasas SK, 1957 bis 1958 Magyar Vagon- és Gépgyár ETO, 1958 bis 1968 Győri Vasas ETO, 1968 bis 1990 Rába Vasas ETO (offiziell) bzw. Rába ETO (gebräuchliche Bezeichnung), 1990 bis 1992 Győri Rába ETO SC, 1992 bis 1994 Rába ETO FC Győr, 1994 bis 1995 ETO FC Győr, 1995 Győri FC, 1995 bis 2015 Győri ETO FC und seit 2015 ETO FC Győr. 1937/38 spielte der Vereine erstmals in der ungarischen ersten Liga, danach 1945/46 bis 1955 (Jahresmeisterschaft), 1958/59 und dann 1960/61 bis 2014/15 als scheinbar unabsteigbar viele Jahrzehnte lang. Die großen Erfolge waren die Meistertitel im Herbst 1963 (Übergangskurzsaison von Saisonbetrieb auf Jahresmeisterschaft), 1981/82, 1982/83 und 2012/13 sowie die Cupsiege 1965, 1966, 1967 und 1978/79. Der Meistertitel des Herbsts 1963 war ebsonders wichtig, da er die Teilnahme am Europacup der Meister 1964/65 brachte, in dem ETO mit Siegen über den DDR-Meister Chemie Leipzig in der Vorrunde, den bulgarischen Meister Lokomotiv Sofia in der ersten Runde und den niederländischen Meister AFC Door Wilskracht Sterk im Viertelfinale das Semifinale erreichte, wo man Benfica unterlag.
Bald nach dem letzten großen Erfolg mit der Meistersaison 2012/13 folgte mit dem Konkurs des Eigentümers Quaestor aufgrund Lizenzentzug dieser Finanz- und Immobilienfirma im ungarischen Maklerskandal von 2015 auch die Pleite des Klubs. Aufgefangen von der Futsal-Abteilung des Gesamtvereins und mit Unterstützung der Stadtgemeinde konnte man als ETO FC Győr in der dritten Liga (NB III Nyugati cs.) 2015/16 neu beginnen, aus der man nach zwei Jahren in die zweite Liga aufstieg. Dort verbrachte man bis zum Aufstieg als Tabellenzweiter 2023/24 einige Saisonen. Erst seit 2024/25 ist ETO wieder in der ersten ungarischen Liga (NB I). In der Saison konnte man als Aufsteiger gleich am vierten Tabellenplatz abschließen, was den Europacupplatz brachte. Allerdings besitzt der gegenwärtige Eigentümer Oszkár Világi, Vorstand des staatlichen ungarischen Erdölkonzerns MOL, auch den DAC in Dunajská Streda (slowakisch) bzw. Dunaszerdahely (ungarisch), die sich in der Slowakei ebenfalls als Tabellenvierter für die Conference League qualifiziert hatten. Die UEFA schloss aufgrund des gemeinsamen Eigentümers den DAC aus und bestätigte die Europacupteilnahme von ETO, da Ungarn die bessere Platzierung in der UEFA-Fünfjahreswertung hatte. Bekanntermaßen erlaubt die UEFA nur Red Bull so viele Vereine wie es möchte im Europacup zu stellen und schreitet sonst wegen Verzerrung des Wettbewerbs ein.
Der ETO Park wurde 2008 als Neubau anstelle der 1977 bis 2005 hier stehenden, 28.000 Plätze umfassenden alten Stadionschüssel an dieser Stelle eröffnet. Vor dem Abriss war 2005 hier der SK Rapid noch im Herbst 2004 in einem Testspiel zu Gast gewesen. Die Eigentümerfirma Quaestor entwickelte ein Immobilienprojekt, das neuen dem neuen Stadion mit 16.000 Plätzen auch das Hotel auf einer Hintertorseite umfasste. Zu diesem Zeitpunkt war es das modernste ungarische Stadion. Nach dem Konkurs der Firma wurde die Anlage von der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Vermögenssicherung für die Gläubiger beschlagnahmt und die Eigentumssituation blieb daraufhin einige Jahre in Schwebe, bis erst 2019 die Stadt das Stadion übernahm. In jener Zeit war der Klub in der Dritt- und Zweitklassigkeit und die östliche Tribüne, auf der sich neben VIP und Presse an diesem Abend auch der Auswärtssektor befand, wurde mangels Bedarf aus Kostengründen außer Betrieb genommen. Nach einem Jahrzehnt ohne Instandhaltungsarbeiten hat diese Tribüne daher keine behördliche Zulassung mehr zur allgemeinen Öffnung für Zuschauerinnen und Zuschauer. Auch wenn sie baulich ohne Problem dasteht, ist z.B. in den teils nicht mehr funktionierenden Sanitäranlagen der geschlossenen Bereiche der Staub der langen Jahre Leerstand zu sehen. Da die im nationalen Betrieb als Gästesektor genutzte Stahlrohrtribüne auf der Hintertorseite im Europacup nicht erlaubt ist, verfrachtete man trotzdem die Gästefans auf diese Osttribüne. Ganz glatt läuft es dabei eh nicht. Den schwedischen Auswärtsmob hatte man in der Runde zuvor in den unteren Rang gestellt, Rapid nunmehr in den oberen Rang. Der Rekordbesuch des einzigen ausverkauften Spiels mit voller Kapazität bleibt somit ein Sommerfreundschaftsspiel von Győri ETO gegen Bayern München im August 2013.
Die im Vergleich zur Vergangenheit hohen Sommertemperaturen aufgrund der Erderhitzung lassen seit einigen Jahren ein neues Phänomen auf Europas Fußballplätzen grassieren – den Rasenpilz. Auch Rapid hatte damit schon zu kämpfen. Hier hatte in Győr der Pilz den Rasen beschädigt. Verloren haben wir aber nicht deswegen.

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