Übersichtsseiten:

Donnerstag, 19. Februar 2015

Forza Rapid, 5


Rezension


Forza Rapid
Die Hütteldorfer Revue
Nr. 5, Frühjahr 2015
74 S.







Bereits zum fünften Mal erfreut Forza Rapid wieder mit einer geballten Ladung hevorragender Rapid-Lektüre. Das Thema des Stadionabrisses und Neubaus behandelt im Heft Elefterios Kain. Er hofft dabei u.a. auf „zahlreiche Champions-League-Auftritte“ im neuen Weststadion. Dass es je Champions-League-Spiele sehen wird und wir dann nicht doch aufgrund ähnlichen VIP-Einnahmen bei allerdings 20.000 zusätzlichen Sitzplätzen in den Prater umziehen, halte ich für unwahrscheinlich (vgl. Krammer-Interview 2014 im Tornados-Fanzine). Jürgen Zacharias wiederum erwartet sich vom neuen Stadion eine „Pulverisierung des All-time-high-Zuschauerschnitts von Rapid aus der Saison 1947/48, als durchschnittlich 26.500 Fans die Drehkreuze passierten“. Da bei den 28.345 Plätzen des Weststadions 1.944 Plätze des Gästesektors einzuberechnen sind, der in der Meisterschaft von keinem Verein ausverkauft werden wird, sind 26.500 im Schnitt im Optimalfall zwar theoretisch möglich zu erreichen − mehr ist realistisch aber nicht drin, „pulverisiert“ wird der Rekord also wohl eher nicht.

Immer wieder spannend und interessant sind die Erzählungen von Fanhistoriker und Rapideum-Kurator Domenico Jacono. Neben Autobiographischem aus der Fanszene der 1980er Jahre und von ersten pyrotechnischen Gehversuchen („Die rund 150 mitgereisten Rapidler im Sektor der Grazer Gruabn hatten danach kohlrabenschwarze Gesichter. Aber niemand hat sich daran gestoßen, nicht einmal die Polizei, der Überraschungseffekt war wohl zu groß.“) berichtet er im Interview auch von seiner Mitarbeit als Fan an Projekten zur Weiterentwicklung Rapids. Er äußert dabei eine auch schon mancherorts gehörte Befürchtung zum neuen Weststadion, die im öffentlichen Jubel keinen Platz fand: „Die Folgen für das soziale Gefüge der Vereinskultur, die eine Haupttribüne, welche fast ausschließlich auf VIP-Gäste ausgerichtet ist, mit sich bringt, habe ich so nicht gesehen [...] Im Zuge der Führungen durchs Hanappi ist mir erst so richtig bewusst geworden, wie unverhältnismäßig und eigentlich stimmungsfährdend diese Schwerpunktsetzung ist. Es gibt drei ähnlich gebaute und bestuhlte Tribünen, und davon abgetrennt die Haupttribüne, die wie ein Fremdkörper wirkt. Ob da der Funken überspringt, wie es im Hanappi mit der Süd sehr wohl der Fall war?“

Das Titelbild ziert der von 1919 bis 1985 vergebene historische Cup-Pokal, zuerst für den niederösterreichischen bzw. Wiener und dann den ÖFB-Cup verliehen. Der Pokal war eines der Prunkstücke des alten Rapideum und wird wohl auch in der Ausstellung im neuen Stadion zu finden sein. Er erinnerte einerseits an den traditionell geringen Stellenwert des Cups in Österreich, da die historische Trophäe durch seither wechselnde Sponsorenpokale ausgetauscht wurde, sowie andererseits an die Zeit, als Rapid in diesem Bewerb erfolgreich war. Wir gewannen diesen Pokal 1919 als erster Verein und 1983, 1984 und 1985 dreimal hintereinander als letzter Klub. Gregor Labes und Fabian Mosser erzählen in gewohnter Tiefe und Ausführlichkeit von der Vorgeschichte und dem Finalspiel des letzten Cupsiegs 1995 − vor zwanzig Jahren − und rekapitulieren das 19-fache Scheitern seither.

Recht gut weg kommt Otto Konrad in der sehr guten Serie mit den Erinnerungen ehemaliger Gegenspieler an Rapid. Da wurde wenig „medial hochgepuscht“, wie hier behauptet, sondern er hat sich die die Ablehnung durch den Rapid-Anhang schon redlich verdient. Man erinnere etwa an ein nicht erwähntes kapitales Foul, das Konrad (nur) drei Spiele Sperre einbrachte, als er als Sturm-Goalie 1991 den heranstürmenden Pfeifenberger außerhalb des Strafraums in einer didulicaartigen Situation mit gestrecktem Bein in den Bauch umgetreten hat. Neben dem im Text beschriebenen Spiel mit Wurfgeschoßen 1993 gab es ja auch noch das Skandalspiel mit Konrad als Ziel von Wurfgegenständen 1995, als dann auf Anordnung der Bundesliga ein Netz vor die West gespannt wurde. Vom Hinter-Gitter-Bringen sprach er nicht nur in Emotion sondern auch in abgeklärten Interviews: „Die Fans in Wien waren das Tiefste, das ich je erlebt habe. Das ging immer ins Persönliche und Private. Das sind Menschen, um die man sich ernsthaft Sorgen machen muß. Die sind mir am liebsten hinter Gittern. Da sind Dinge passiert, die nie passieren hätten dürfen. Hätte ich mich jemals gewehrt, was glaubst du, wie viele da im Krankenhaus gelandet wären?“ (Kurier, 2.1.1997)

Weiters lesenswert sind im Heft die Texte über Rapidspiele gegen den AC Milan, ein Interview mit Jürgen Hartmann, eine Analyse der IG Referee über die Rapid-Ausschlüsse des Herbsts sowie viele sportliche Informationen und Statistiken. Albert Oschep beleuchtet die in Hütteldorf wenig bekannte YB-Viertelstunde der Young Boys Bern, die in vielem der Rapidviertelstunde vergleichbar und auch ähnlich alt ist. Nicht lesenswert ist ein Kommentar, der seine Argumentation gegen Norbert Darabos darauf aufbaut, dass dieser schon bei der Meisterschaft 2008 die Tellerübergabe vorgenommen hätte und dabei ausgepfiffen worden wäre. Damaliger Sportminister und Bundeskanzler, am Podium und Ziel von Unmut war nicht Darabos sondern ein Vornamensvetter des Kommentators.

Von mir selbst wurden diesmal Beiträge über das Bohemians-Museum in Prag sowie über den Besuch des Testspiel-Debüts von Christopher Trimmel bei Union Berlin und dessen mediale Folgen beigesteuert. Wir üblich sind die Printartikel nicht deckungsgleich mit meinen hier zu findenden Blogbeiträgen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen