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Samstag, 28. Oktober 2023

Wacker Innsbruck – Mayrhofen 3:1 (1:1)

Tirol, Tiroler Liga, 12. Runde, 28.10.2023
Tivoli Neu, 3.651

110 Jahre Wacker Innsbruck wurden von der Tivoli Nord groß gefeiert. Am Spielfeld ließ sich der Tabellenführer auch vom anfänglichen Führungstreffer der SVg Mayrhofen nicht erschüttern, kam ins Spiel zurück und gewann schließlich verdient.
In den Tagen zuvor mobilisierten über hundert Plakate des Vereins sowie aufgehängte Spruchbänder und ein über hundert Meter langes Graffiti der Tivoli Nord in den Straßen in der Stadt Innsbruck für das Jubiläumsspiel. Es sollte nach der schon im Zeichen des 110-jährigen Jubiläums stehenden internationalen Auswärtsfahrt zu Chemie Leipzig der zweite Höhepunkt des Jubiläumsjahres werden. Das Spiel fand im Rahmen eines Fests statt. Bereits zuvor versammelten sich die Leute unter der Westtribüne bei Speis und Trank sowie Programm auf einer Bühne. Nach Schlusspfiff gab es dann Partys unter der West sowie unter der Nord. Die Nord war nämlich zu dieser Gelegenheit erstmals seit dem Absturz ins Unterhaus 2022 wieder geöffnet. Sie bot gut gefüllt einen Anblick, wie man ihn in den letzten Zweitligajahren lange nicht mehr gesehen hatte. Man sah und hörte die Motivation. Aus Frankfurt gab es vor dem Spiel ein Jubiläumsgeschenk mit Trikotübergabe. Auf der Nord waren Obermais und Thun zu sehen.
Wacker stand groß auf der Osttribüne, die in die schwarz-grünen Farben getaucht wurde. Zu Spielbeginn ging über die ganze Länge der Nord ein Vorhang hoch, der eingerahmt von den Jahreszahlen 1913 und 2023 detailliert zahlreiche Motive aus der 110-jährigen Geschichte zeigte – von ikonischen Fotos, berühmten Mannschaften, dem legendären Ernst Happel, Kasimir Burundinger und dem alten Tivoli-Stadion, der Kampagne zur Rückbenennung des Vereins zum Namen Wacker Innsbruck und der Tivoli Nord selbst bis hin zu Abbildern der Meisterteller und Pokale sowie der verschiedenen Vereinswappen, unter denen diese errungen wurden. Die Geschichte ist nämlich etwas komplex.
1913 ist das Gründungsjahr des FC Wacker Innsbruck – so lautet die Tradition. Auch wenn das erste bekannte Spiel erst 1914 stattfand (4:1 gegen Rapid Innsbruck) und die offizielle Gründung als Verein mit Bewilligung („Nichtuntersagung“ hieß das im Amtsdeutsch) der Statuten durch die Vereinsbehörde erst 1915 erfolgte. Die Traditionslinie, was der Anhang jeweils als „ihren“ Verein sah, ist die wichtigste Linie in diesen 110 Jahren, denn rein rechtlich gab es mehrere Brüche. Nach 1915 gab es bald wieder eine Vereinsauflösung und 1923 eine Neugründung, 1971 bis 1986 eine erste Spielgemeinschaft mit der WSG Wattens, nach Auflösung der Spielgemeinschaft 1986 bis 1992 als eigenen Verein den FC Tirol während FC Wacker Innsbruck und WSG Wattens mit neuen Mannschaften im Amateurfußball spielten, 1992/93 lief die Bundesligamannschaft wieder unter dem Dach dieses FC Wacker Innsbruck, 1993/94 bis 1998/99 gab es dann aber wieder einen eigenen Verein FC Tirol während Wacker Innsbruck formal wieder unten in der Regionalliga spielte. 1999 wurde diese Konstruktion aufgelöst und es bestand nur der FC Tirol weiter, der nach drei Meistertiteln in Serie 2002 den spektakulärsten Konkurs der österreichischen Fußballgeschichte hinlegte. Finanziell waren die Titelerfolge der Jahre zuvor ohne seriöse Grundlage gewesen. Die Titel blieben, aber der Verein war am Ende und Funktionäre gingen ins Gefängnis. Der 1999 aufgelöste FC Wacker Innsbruck wurde 2002 wiedergegründet, spielte 2002/03 erneut in einer Spielgemeinschaft mit der WSG Wattens gleich in der Regionalliga und dann seit 2003/04 eigenständig. Der Imageschaden von 2002 wirkte aber lange nach. Langjährige finanzielle Probleme und mehrere Versuche mit Investoren, die dem Verein mehr schadeten als ihm brachten, führten zur erneuten Pleite 2022 mit Lizenzentzug, Abstieg aus der 2. Liga und unter Fortführung des Vereins einem sportlichen Neubeginn in der Tiroler Liga 2022/23. Bei allen vereinsrechtlichen Brüchen mit Spielgemeinschaft und eigenen FC-Tirol-Konstruktionen besteht eine vom Anhang getragene Traditionslinie, mit dem Jahr 1913 als Gründungsjahr und in (unterschiedlichen Konstellationen errungenen) zehn österreichischen Meistertiteln in den Annalen.
Im 110-jährigen Jubiläumsjahr spielt Wacker Innsbruck fünftklassig. 3.651 Zuschauerinnen und Zuschauer waren eine stolze Anzahl und der beste Besuch hier seit vier Jahren, dem Zweitligaspiel gegen den GAK am 14.9.2019. Den Fünftliga-Rekord in Österreich hält weiter Vorwärts Steyr, die zum Saisonfinale 2006/07 vor 7.000 Leuten an der Steyrer Volksstraße gegen Weißkirchen spielten. Zum letzten Mal hatte ich Wacker Innsbruck hier am Tivoli gegen Rapid vor viereinhalb Jahren noch in der Bundesliga gesehen. 7.413 Leute wollten das damals sehen. Das Spiel mit den meisten Zuschauerinnen und Zuschauern, das ich hier im neuen Innsbrucker Tivoli-Stadion gesehen habe, war ein EM-Spiel 2008 mit 30.772 Zuschauerinnen und Zuschauern. Das bestbesuchte Heimspiel von Wacker Innsbruck, das ich hier gesehen habe, war der 3:0-Auswärtssieg Rapids bei der Barišić-Trainerpremiere 2011 vor 13.700. Wann Wacker Innsbruck wieder in der Bundesliga spielen wird, ist ungewiss. Der Aufstieg in die Viertklassigkeit sollte 2023/24 jedenfalls erreicht werden.

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