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Freitag, 21. April 2023
Ballesterer 178
Rezension
ballesterer
Nr. 178
April 2023
84 S.
„Orbáns Luftschlösser“ beschreibt Clemens Zavarsky in seiner Titelgeschichte. Sie handelt von politischem Ziel und realem sportlichen Ergebnis der Fußballförderung in Ungarn. 2,5 Milliarden Euro staatliches Geld gingen seit 2010 in den Sport, schreibt er. „Im selben Zeitraum steckte die Bundessportorganisation des einwohnermäßig etwa gleich großen Österreich rund 100 Millionen Euro an Förderungen in den Fußball, dazu kamen noch Zuschüsse in ungefährt der gleichen Höhe für Stadionprojekte wie in Linz und Wien.“ Dem gegenüber stellt er die Bilanz von zwei EM-Qualifikationen der Nationalmannschaft und eine Champions-League-Teilnahme von Ferencváros. Allerdings ist der sportliche Erfolg nicht der alleinige Zweck der riesigen Ausgaben, sondern sie dienen auch dazu, Orbáns Macht durch Geld, das für seine Freunde abfällt, und großungarischen Nationalismus als damit inszenierte Projektionsfläche für die Massen zu stützen. Dazu dienen auch die Investionen in Fußballvereine außerhalb der Staatsgrenzen als nationale Ausgängeschilder für die dort lebenden ungarischen Minderheiten, denen die Staatsbürgerschaft gegeben wurde und die bei Wahlen zu 94% für die Regierungspartei Fidesz stimmen. Direkte oder auf Umwegen über Staatskonzerne oder Oligarchen bewerkstelligte Investitionen in Fußballvereine wie DAC, Topolyai Sport Club Bačka Topola, Sepsi OSK, und in geringem Maß auch Nafta Lendava sorgen dafür, die Bevölkerung dort an die Regierung in Budapest zu binden, und den Nationalismus in Ungarn selbst durch Inszenierung des historischen Herrschaftsanspruchs auf die Territorien der Nachbarländer zu befördern. Der Machterhalt funktioniert, sportlicher Erfolg ist sekundär. Wie alle wichtigen Gesellschaftsbereiche beherrscht die Regierungspartei in Ungarn auch den Fußball. „Wenn man sich anschaut, dass praktisch jeder Verein in der obersten Spielklasse einem Fidesz-Mann gehört, ist das fast schon lustig.“ ist im Artikel der Journalist Pal Daniel Rényi zitiert. Eine sehr gute Aufarbeitung der Thematik. Weiters ist im Rahmen des Ungarn-Schwerpunkts ein interessantes Interview mit Péter Fodor zur Fußball-Erinnerungspolitik in Ungarn und ein Artikel über Probleme mit dem teuren Neubau Puskás Aréna zu lesen. Herausragende Lektüre im Heft ist ein Interview mit Karl Daxbacher. Man liest hier auch weiters u.a. Berichte aus Marokko, der Ukraine, Fürth und Spanien. In der Taktikkolume beschreibt Emanuel Van den Nest, wie Zoran Barišić das Rapid-Spiel nach seiner Rückkehr verändert hat.
Niederland und nicht Ungarn ist in dieser Ausgabe das Ziel in meiner Amateurfußballkolumne „Nebenschauplätze“. Am fehlenden e erkennen Feinspitze, dass ich dabei in Österreich bleibe. Es geht zum TSV Unken.
A4 / 6,50 € / erhältlich im Zeitschriftenhandel
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