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Mittwoch, 14. Oktober 2015

111 Gründe, den SK Rapid Wien zu lieben


Rezension


Gregor Labes / Kersten Bogner / Fabian Mosser / Gerald Pichler / Jürgen Zacharias
111 Gründe, den SK Rapid Wien zu lieben
Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt
Berlin 2015
(Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag)
312 S.





Gründe, den Sportklub Rapid zu lieben, sind mannigfaltig. Gregor Labes hat gemeinsam mit Kollegen der Zeitschrift Forza Rapid und des Masterminds des so großartigen Rapidarchiv, Gerald Pichler, in einer deutschen Buchreihe einen schönen Band herausgegeben, der die Faszination Rapids in 111 Punkten beschreibt. Es ist eine kurzweilig zu lesende Mischung aus Fakten, historischen Informationen, persönlichen Geschichten und Texten über verschiedene Facetten des Rapidgeists.

Als erster Grund wird die Eigenschaft Rapids als Traditionsverein angeführt: „Seit Generationen nehmen die Menschen Anteil am Schicksal des Vereins. Im Stadion treffen einander Jung und Alt, Arm und Reich.“ schreibt Gerald Pichler. Dieses jahrzehntelange Mitleben mit Höhen und Tiefen macht einen Fußballverein wie Rapid zu etwas Besonderem und schafft eine emotionale Bindung, die nicht anderes als mit dem Wort Liebe zu beschreiben ist.
Das unterscheidet einen Traditionsverein von Sternschnuppen-Projekten, die von viel Geld angetrieben schnell hoch aufsteigen und nach einigen Jahren wieder verschwinden. „Aber vielleicht ändert sich das ja und wir können bald im Buch 111 Gründe, Red Bull Salzburg zu lieben schmökern,“ meint Pichler mit Augenzwinkern. Er unterschätzt dabei wahrscheinlich die Geschäftstüchtigkeit des Verlags, vom dem es in derselben Aufmachung mit dem Subtitel der „Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt“ bereits alles Mögliche und Unmögliche von „111 Gründe, RB Leipzig zu lieben“ bis hin zu „111 Gründe, 1899 Hoffenheim zu lieben“ zu kaufen gibt. Von „111 Gründe, Lehrer zu sein“ oder „111 Gründe, angeln zu gehen“ ganz abgesehen. Man hat dort aber auch „111 Gründe, Bayern München zu hassen“ veröffentlicht, was eine Heidenarbeit in der Kürzung gewesen sein muss.

Zurück zu Rapid: Weitere der 111 Kapitel erzählen von den Stars wie Bimbo Binder, den Körner-Brüdern, Ernst Happel, Gerhard Hanappi, Hans Krankl, Antonín Panenka, Jan Åge Fjørtoft bis hin zu Steffen Hofmann und vielen mehr. Andere holen auch Persönlichkeiten vor den Vorhang, die zu Unrecht heute vielen leider kein Begriff sind wie Dionys Schönecker, Josef Brandstetter, Rigo Kuthan, Josef Uridil, Robert Dienst, Johnny Bjerregaard etc. Einige der Einträge haben lexikalischen Charakter, wenn etwa die Rapidviertelstunde oder das Jahrhundertderby 1950 (7:5) und internationale Glanzlichter beschrieben werden. Manche Bewertungen sind diskussionsfreudig, wie über ein notwendiges „Vergessen und Verzeihen“ der Umstände seines Abgangs, um sich Nikica Jelavić zurückzuwünschen. Etwas überdreht ist die Erklärung des Salzburger Europacupfinales 1994 als drittes Europacupfinale Rapids, weil es durch die vielen Ex-Rapidler vom Rapidgeist geprägt gewesen wäre. Naja. Eine Verklärung der Zeit Lothar Matthäus', da es das gewiss großartige Partizan-Spiel gab und Steffen Hofmann wegen seines Namens kam, halte ich für eine zu selektive Erinnerung. Auch ob man bei Max Merkel nicht auf seine Zeit als Spieler oder auch Trainer, sondern seine Karriere als Kretzn in einer großformatigen, aber kleingeistigen deutschen Zeitung wirklich stolz sein will, ist wohl Ansichtssache. Ernst Happel wusste, warum er mit seinem ehemaligen Mitspieler aufgrund dessen Verbreitung von untergriffigen Lügen nichts mehr zu tun haben wollte. Nicht nachvollziehbar bleibt ein Kapitel über einen Schifahrer, der nicht gestürzt wäre, weil er Wiener und Rapidler ist. Dies trübt den positiven Gesamteindruck allerdings nicht. Man muss nicht allem zustimmen, aber man kann die 111 Gründe auch als 111 Diskussionspunkte sehen, die Gesprächsstoff über Rapid liefern. Ob „Weil Rapid im Cup auch die Kleinen groß aussehen lässt“ explizit ein Grund ist, der Rapid in rasender Liebe zu verfallen, ist unsicher. Jedenfalls aber beschreibt es ein zutreffendes Charakteristikum Rapids und Liebe beinhaltet ja nicht nur schöne Seiten.

Sehr gut sind die Kapitel wie der 70. Grund „Weil Rapid seine NS-Vergangenheit aufarbeiten ließ“, in der die verdienstvolle Aufarbeitungsarbeit, die von Jakob Rosenberg und Georg Spitaler unter Mitarbeit von Domenico Jacono und Gerald Pichler geleistet wurde, zusammenfasst wird, sowie der 101. Grund, der Katharina Prochazkas Forschungsergebnisse beschreibt, warum man eigentlich die Rapid“ sagt.

Auflockernde, aber durch die Perspektive spannende Beiträge sind die persönlichen Erzählungen wie etwa Gerald Pichlers Schilderungen vom Besuch an der Hand der Tante beim letzten Spiel auf der Pfarrwiese 1978 oder den ersten Spielen im Hanappi-Stadion 1977 mit seinem Vater. Gregor Labes erzählt, wie er an der Hand seines Vaters im alten Liebenauer Stadion beim Spiel zwischen Sturm Graz und Rapid zum Meisterschaftsfinale 1981 zum Rapidler wurde: „20.000 Menschen waren im Stadion, obwohl es nur für 16.000 zugelassen war. Und die Feindseligkeit im Grazer Publikum gegenüber dem mitgereisten Rapid-Anhang war nicht ohne. Die Gästefans gebärdeten sich entsprechend provokant und boten ein Bild, das für einen Taferlklassler eigentlich nicht geeignet war. FSK ab 16 Jahren, mindestens. Doch ich war begeistert.“ Später im Buch erzählt er an anderer Stelle, wie er Jahrzehnte später in Hütteldorf mit seinem Sohn erstmals bei einem Match war und dieser große Augen und Ohren bei den Verbalinjurien zwischen Sturm-Auswärtsfans und dem Block West bekam. Gerald Pichler berichtet von der Außenstehenden wohl verrückt erscheinenden, aber einem Fußballfan nachvollziehbaren Prioritätensetzung der Auswärtsreise zum Europacupfinale 1985 in Rotterdam, die wichtiger war als die Schule.

Vieles trifft den Punkt. Vieles lässt in Erinnerungen schwelgen. Manches regt zur Diskussion an. Immer geht es um Rapid − was kann besseres Lektürethema sein. Gregor Labes, Kersten Bogner, Fabian Mosser, Gerald Pichler und Jürgen Zacharias haben ein gutes Buch geschrieben.

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