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Donnerstag, 14. Dezember 2023

Ballesterer Bibliothek 3: 50 Jahre Bundesliga




Rezension


ballesterer bibliothek 3
50 Jahre Bundesliga
Wien, November 2023
148 S.









Vor fünfzig Jahren wurde die österreichische Nationalliga zur Bundesliga „rebranded“, wie es im Vorwort der bereits dritten Ausgabe der ballesterer bibliothek heißt. 1974 kannte man dieses Wort noch nicht, setzte es aber in die Tat um. Wie oft bei Ligareformen spielten sportliche Kriterien keine Rolle. Das erst im März 1974 beschlossene neue Bundesliga-Format sollte ab 1974/75 zehn Vereine umfassen, wobei Wien zwei und die übrigen Bundesländer je einen Vertreter stellen sollten. Eine Fünfjahreswertung wurde dafür herangezogen, womit einerseits die Traditionsvereine und mehrmaligen österreichischen Meister Vienna und Wiener Sport-Club keine Chance auf den Klassenerhalt als Wiener Vertreter hatten und andererseits auch in den Bundesländern Verwerfungen auftraten. So musste der besser platzierte DSV Alpine als Tabellensechster absteigen, weil das schlechtere Sturm Graz in der Fünfjahresrechnung noch voran lag. Der SK Voest Linz durchkreuzte den Reformplan, indem er 1973/74 österreichischer Meister wurde, aber in der Fünfjahreswertung hinter dem LASK lag. Mit dem Ligaausschluss des Meisters wollte man nicht beginnen und ließ stattdessen auf Kosten des Vorarlberger Platzes eine Relegation der drei Regionalligameister mit dem LASK spielen, der darüber den Klassenerhalt schaffte. Mit Bravour verfehlt wurde somit das gesteckte Ziel, aus allen Bundesländern Vertreter zu haben und eine Konzentration zu schaffen, um „die Liga attraktiver und das Geschäft profitabler zu machen“ wie dies Jakob Rosenberg analysiert. Am Anfang stand also das Scheitern am eigenen Anspruch. Es folgten weitere Ligenreformen 1982 (Rückkehr zur 16er Liga), 1985 (dreiteiliges Play-off-System, in dem dank Punkteteilung zweimal nicht der Verein Meister wurde, der die meisten Punkte in der Saison gewonnen hatte, sondern der FAK nicht durch Leistung sondern aufgrund Ligaformat zwei Meistertitel zusätzlich bekam) und 1993 (Zehnerliga) sowie zuletzt 2018 (zweiteiliges Play-off mit erneuter Einführung der Entwertung der regulären Saisonspiele durch Punkteteilung zugunsten der Spiele in der halbierten Meisterschaft).

Das erste Kapitel beschäfigt sich mit den Derbys in der Liga, die ja eigentlich seit 1974 Geschichte sein sollten. Es geht hier u.a. um die Bedeutung des Einschnitts von 1974 für Wien, woraus es trotz zeitweiser kurzer Rückkehr von Sport-Club und Vienna in den letzten fünfzig Jahren großteils nur mehr zwei Erstligisten gab. Das ist im übrigen ein großer Unterschied zu den vergleichbaren Nachbarländern Tschechien und Ungarn mit ähnlicher fußballhistorischer Entwicklung und wo stets mehrere Vereine aus Prag und Budapest erstklassig sind. Eine besondere Konstellation bietet aufgrund der euphemistisch genannten „Fusion“ 1997 das Linzer Derby, worüber sich der schwarz-weiße Günther Waldhör und der blau-weiße Andreas Kump angeregt unterhalten. Etwas unschlüssig lässt einen der „Das Land ohne Derbys“ betitelte Artikel über Niederösterreich zurück. Die Einschätzung „Da gibt es wahrscheinlich im Unterhaus Duelle, die mehr Emotionen wecken“ zur tatsächlich jungen Geschichte der Rivalität von Admira Wacker und SKN St. Pölten mag zutreffen, wenn man nicht nur die Fanszenen sondern das gesamte Stadionpublikum betrachtet. Ob das St. Pöltner Derby gegen den Kremser SC aber tatsächlich aufgrund der langen Ligen-Entfernung eingeschlafen ist, wage ich aufgrund der tief verwurzelten Städterivalität zu bezweifeln. Ich glaube, dass das äußerst schnell wieder da wäre. Richtig ist wohl aber, dass dies die Generationen der letzten Jahrzehnte schlicht nicht mehr miterlebt haben.

Im Abschnitt Tribünen geht es u.a. um das Zustandekommen und die Erfolge der Fanszenen-Vernetzung zur Kampagne Pyrotechnik ist kein Verbrechen in den Jahren 2009 und 2010. Ich erinnere mich vor allem an das unter diesem Motto stattfindende Spiel von Sturm Graz und Rapid 2010 und das Interview im Ballesterer 55 mit zwei prominenten Protagonisten unter dem Titel „Als Nächstes schaffen wir die Polizei ab“. Thomas Unger gibt für Außenstehende einen kleinen Blick hinter die Kulissen der Arbeit an einer Choreographie und an welch seidenen Fäden so etwas manchmal hängt. Eines der Paradebeispiele für größenwahnsinnige Dorfklub-Mäzene, die außer verlorenen Jahren für die Bundesliga, verbranntem Geld und Ruinen nichts hinterlassen ist der SV Grödig. Hierzu gibt es einen Artikel über die doch etwas kuriose Geschichte einer Handvoll deutscher Fußballwahnsinniger, die das Projekt als Fanklub unterstützten. In der gleichen Klub-Kategorie rangiert der SV Hartberg. Dessen Präsidentin wird freundlich portraitiert.

Weitere Themen sind Stars und mehr oder weniger prägnante Persönlichkeiten, das jährliche Interview mit dem Bundesliga-Vorstand, in dem dieser viel redet, und ein herrlicher Abschnitt über allerlei Skandale im Lauf der Jahrzehnte, u.a. der 18:00 SCHEISS ORF-Skandal vom März 2004, der sich in wenigen Monaten auch schon zum zwanzigsten Mal jährt. Am Schluss gibt es Interviews mit Legionären, u.a. mit Dejan Savićević.

Mit dem jährlichen monothematischen Band zum Jahresende hat sich der ballesterer eine gute Tradition geschaffen. Das kann man nach der dritten Ausgabe schon sagen.


größer als A5 / 14 € / erhältlich im Zeitschriftenhandel / bundesliga.ballesterer.at

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