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Mittwoch, 25. November 2020

Trespass VI




Rezension


Trespass
Ausgabe VI
2020
236 S.










15 Länder, 51 Spiele sind die Zahlen des wieder unterhaltsamen Frankfurter Groundhoppinghefts Trespass. Die Spielberichte reichen von Juli 2019 bis Juni 2020, wobei es dazwischen ja eine hinlänglich bekannte Zäsur gab.

Das Reiseerlebnis nimmt neben dem eigentlichen Stadionerlebnis gewohnt viel Platz in der Berichterstattung ein, ja steht eigentlich fast im Zentrum. Der Gutteil der oft zum Schmunzeln anregenden Schilderungen von Fortbewegung, Einnahme flüssiger und fester Nahrung sowie körperlicher Ausscheidungsvorgänge findet sich hier. Eine Koinzidenz ist die praktisch zeitgleiche Entdeckung eines dem Rest der Menschheit womöglich schon länger geläufigen Utensils, das auch bei mir seit circa jenem Zeitraum Reisebegleiter ist. Im Juli 2019 hießt es hier jedoch noch bei einem der Protagonisten „Das visionäre Konzept der Kopfhörer, mit denen man unliebsame Störgeräusche mit guter Musik übertönen kann, ist mir zu diesem Zeitpunkt nämlich noch nicht wirklich geläufig.“

Es gibt von einer Groundhoppingreise auf den Spuren der 1999er-DSF-Reportage nach Chrudim und Prostějov zu lesen, einiges von den britischen Inseln, Reisen auf karibische Inseln (auf die es mich auch nach Lektüre eher nicht ziehen würde, Badeurlauber wird aus mir in diesem Leben keiner mehr) und in das mich schon kulturell eher ansprechende Jordanien oder von Touren als Rahmenprogramm von Europacupauswärtsspielen. Von letzteren liest man wie auch sonst von den Besuchen des eigenen Vereins hier leider gewohnt nichts, nur am Rande werden sie als Stationen erwähnt wie „später im Bus nach Guimarães, wo sich das erbärmliche Ballgeschiebe zwischen der Diva vom Main und der gasgebenden Vitória sowie der Austausch einiger Sitzschalen zwischen Heim- und Gästeanhang ereignete.“

Eine schöne Sache ist eine Foto-Seite, die Bilder von Leuten versammelt, wie sie sich von sich selbst begeistert im Camp Nou fotografieren. Ein sich mir nicht erschließender Brauch. Auch Kollege Ösch dürfte das ähnlich sehen: „Richtig rund ging es erst, als das Spiel schon lange vorbei war und etliche Fans das Stadion verlassen hatten. Die Selfieorgie konnte beginnen. Hier eine Gruppe Asiaten, da ihre Pendants aus Südamerika, etwas weiter vorne das Möchtegern-Instagrammodel. Und wir mittendrin.“

Bei einem Wochenende mit Derbys in Sofia und Plovdiv beobachtet man österreichische Hopper. Ohne nähere Details im Heft tippe ich auf Leute aus dem roten Graz. „Wir mussten uns auch die Hand vor den Mund halten, um nicht sofort als deutschsprachige Touristen enttarnt zu werden. Das lag jedoch nicht an den Hopperjägern, sondern an der Crew vor, neben und hinter uns, die sich mit lautstarkem österreichischen Akzent quer über die Reihen unterhielten. Da wir schüchtern sind und keine Lust hatten angequatscht zu werden, hielten wir die Fresse und lauschten neben den Kurvenliedern eben auch den Sorgen und Nöten der Jungs aus der Alpenrepublik.“

Der spannendste Teil behandelt eine Reise nach Kalabrien, wo vom bekannten Crotone ausgehend die von mir noch nicht besuchten Destinationen Castrovillari und Cosenza angesteuert wurden. De facto jeder Satz im Bericht von diesem Spielbesuchen und vor allem auch die Fotos machten unbändige Lust, dort hinzufahren. Über 12.000 Leute beim Abschlusspiel der Tour bei Reggina bestätigten den Aufwärtstrend, den ich selbst dort wenige Monate zuvor feststellen durfte.

Zum Schluss gibt es noch ein paar Tschechien-Berichte, wohin es die Protagonisten wie tausende andere Fußballhungrige mangels Alternativen im Frühsommer 2020 verschlug. Dabei spielten sie ein amüsantes Spiel: „Die Hinfahrt wurde genutzt, um den Wettschein für das von DWIDS ausgerufene Spiel ‚Schätze die Anzahl der in der App eingeloggten Hopper pro Spiel‘ auszufüllen. Trotz hoch angesetzter Tipps sollten wir hierbei im Endeffekt zu tief stapeln. Das ist jetzt auch gar nicht abwertend gemeint. Wir sind ja selber ein Teil des Ganzen. Wobei: Unter diesem Gesichtspunkt könnte man es dann vielleicht doch als abwertend bezeichnen.“ Wer oder was DWIDS ist, ist mir zwar nicht geläufig, aus genannten Gründen war ich aber in jener Zeit bewusst nur im von Wien aus grenznahen, aber für deutsche Fußballreisende ferneren Mähren unterwegs. Nur wenige Kollegen wurden hier angetroffen. Gerade weil man selbst ja ein Teil des ganzen ist (ohne App) und die Mechanismen kennt, wollte ich dann doch Massenaufläufen aus dem Weg gehen. Es ist angenehmer, hier gut unterhalten davon zu lesen.

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