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Freitag, 9. August 2019
Zebizeba
Rezension
Stephan Rosinger (Hg.)
Robert Hofer / Christian Kreil / Harald Minoth / Michael Stockinger
Zebizeba
100 Jahre SK Vorwärts Steyr
Steyr 2019 (Ennsthaler)
434 S.
„Zebizebizebizeba. Hu ha Palawatsch. Pfitschigo pfitischigo. Go go go. Pfitschigo pfitischigo. Go go go. Ein Hoch der Vorwärts. Ein Hoch der Vorwärts. Und allen Ihren Fans. Und allen Ihren Fans. A Wossa, Wossa. A Wossa, Wossa dem [gegnerischer Verein]. Allez, allez. Allez, allez, allez. Immer wieder, immer wieder Vorwärts!“ So singt man seit den 1970er Jahren an der Steyrer Volksstraße. Dieser ebenso schwer nachvollziehbare wie markante Fangesang gab dem Jubiläumsbuch zu hundert Jahren SK Vorwärts Steyr seinen Namen. In 13 Kapiteln wird die Vereinsgeschichte chronologisch präsentiert, sichtlich gut recherchiert und aufbereitet. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der Entwicklung der Fankultur bei Vorwärts und in einem abschließenden Statistikteil werden neben der heuer gekürten Jahrhundertmannschaft alle Spieler und alle Pflichtspiele aus hundert Jahren aufgelistet.
„Wir wissen nicht, woher der Begriff Zebizeba stammt und wer ihn wann erstmals verwendet hat. Und das heißt etwas, denn für dieses Buch haben wir verdammt viele Daten über den SK Vorwärts Steyr zusammengetragen. Wir rechnen Ihnen gerne vor, wieviele Kilogramm Zwiebeln in den letzten 100 Jahren für die legendäre Bosna auf dem Vorwärtsplatz geschnitten werden mussten. Wir kennen die Aufstellung eines Testspiels im Jahr 1953, wir zählen im Schlaf die Namen der Zeugwarte von heute bis zurück in die Anfangszeit und retour auf. Aber welchen Sinn das Zebizeba hat, woher es kommt und was es heißen soll, das wissen wir nicht. Fans anderer Vereine haben das Zebizeba niemals ‚gecovert‘. Wir vermuten – ganz ehrlich – nicht einmal einen tieferen Sinn hinter diesem Wort. Aber es hört sich halt einfach gut an, das Zebizeba. Es wird seit Jahrzehnten ausgerufen. Verbürgt ist es seit den späten 70er Jahren, und es wird ausschließlich bei guter Laune angestimmt.“ schreiben die Autoren und auch wenn es die Bosna selbst erst seit sieben Jahrzehnten gibt, sieht man ihre Akribie und Leidenschaft auf jeder Seite des Buchs. Man lernt als Fußballgeschichtsinteressierter hier viel Interessantes, nicht nur das Zebizeba.
Die Gründungsgeschichte und die ersten Jahrzehnte sind spannend und werden ausführlich erzählt. Hier wie in den folgenden Chronik-Kapiteln gibt es neben Bildern und Zeitungsausschnitten begleitend Randglossen zu allgemeingeschichtlichen Ereignissen jener Zeit in Steyr und Portraits einzelner Spieler. Die hohen Investitionen an Arbeit und Geld in die Errichtung des Vorwärtsplatzes an der Lauberleite, der nach dem Februar 1934 von der austorfaschistischen Diktatur geraubt und dem Stadtrivalen Amateure übereignet wurde, wird anschaulich beschrieben. Für die Vorwärts-Chronik der Gründungsjahre haben die damaligen Geschehnisse die Langezeitfolge, dass durch staatliche Vereinsauflösung und Enteignung mit dem Vermögen das Vereinsarchiv verlorenging.
Jahr für Jahr liest man in der Chronik über die Geschehnisse im Verein, etwa über den Einzug ins ÖFB-Cup-Finale 1949, das Vorwärts leider gegen die Wiener Austria verlor. 1.000 mit einem Sonderzug angereiste Fans unterstützten Vorwärts im Prater, angesichts der damaligen Reiseerschwernisse über Besatzungszonengrenzen hinweg und der wirtschaftlichen Lage eine stolze Anzahl. 1949 stieg Vorwärts auch in die neugeschaffene Staatsliga auf. Im ersten Spiel von Rapid in Steyr gab es leider eine 3:2-Niederlage Rapids nach 0:2-Halbzeitführung. Im Buch wird das entsprechend gefeiert: „Nach dem Ertönen des Schlusspfiffs umarmten sich die Spieler und das ebenso glückliche Publikum strömte ins Spielfeld. Der legendäre rot-weiße Kampfgeist hatte den SK Vorwärts zudem an die Tabellenspitze der Staatsliga A gehoben und sorgte landesweit für großes Aufsehen.“ Das 3:3 (0:3) Rapids in Steyr 1999 fehlt hier natürlich auch nicht und wird ebenso hervorgehoben.
Auch weitere Ereignisse wie die Gründung des Anhängerklubs 1956, die Reise in die Sowjetunion 1957, Auf- und Abstiege, die Ankunft des ehemaligen Weltfußballers Oleg Blochin 1988 sowie die schwierigen Bundesligajahre werden behandelt. Samt dem „unrühmlichen Weltrekord“ im Jahr 1996, wie er im Buch genannt wird: „Nach dem 0:2 gegen Admira/Wacker im Meisterschaftsheimspiel sicherte sich der SK Vorwärts Steyr einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde: 41 Spiele ohne Sieg. Man löste den bisherigen Rekordhalter ab, das Team Tombo aus dem zentralafrikanischen Zaïre (heute Kongo).“ Dazu gibt es die eine oder andere Kuriosität (SK Komm und Kauf Vorwärts Österreich in blau-weiß, den Farben des Sponsors, aber auch diejenigen des Stadtrivalen Amateure) und immer wieder die oben bereits genannten Kurzbiographien von Protagonisten der jeweiligen Epochen. Beschrieben werden das lange Dahinsiechen bis zu Lizenentzug und Spielbetriebseinstellung in der Winterpause 2000 sowie die Bemühungen um einen Neubeginn, der schließlich nach eineinhalb Jahren ohne Kampfmannschaftsbetrieb in der Saison 2001/02 in der 2. Klasse startete. Nach langen und durchaus auch wechselhaften Unterhausjahren führte er 2018 zurück in die 2. Liga. Die Unterhausjahre werden in der Chronik genauso ausführlich und mit Liebe zu Details erzählt wie die erfolgreichen Jahre im Oberhaus.
Der spannende Abschnitt über die Steyrer Fankultur beinhaltet einige Informationen zu Generationen und Fanklubs sowie dem Aufschwung nach dem Neubeginn 2001: „Fan des SK Vorwärts zu sein, das war eine Trotzreaktion, es bestätigte den Spruch ‚Liebe kennt keine Liga‘ und – das sollte nicht vergessen werden: Die Wiederkehr aus den tiefsten Unterhaus, die mit wenigen Unterbrechungen gelang – versprach: Party, Party, Party und viele Meisterschaftsfeiern.“ Zu manchem Aspekt (Fanfreundschaft, Gewalt) gibt es auch kritische Worte.
Einen nicht nur in Kilogramm schweren, sondern auch inhaltlich gewichtigen, großformatigen Prachtband haben die Autoren hier vorgelegt. Ein würdiges Buch zu hundert Jahren SK Vorwärts Steyr.
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