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Dienstag, 8. Januar 2019

Stein der Erinnerung für Wilhelm Goldschmidt

Wien, 8.1.2019

In der Wiener Leopoldstadt enthüllte der SK Rapid zum Auftakt der 120-Jahre-Vereinsjubiläumsfeierlichkeiten einen Stein der Erinnerung für den 1942 als Jude von den Nazis ermordeten Wilhelm Goldschmidt, der 1899 dem SK Rapid seinen Namen gegeben hatte. Er liegt vor dem Haus in der Großen Schiffgasse 22, wo Goldschmidt mit seiner Familie zuletzt bis 1939 lebte, bevor er durch den „Arisierung“ genannten Raubzug der Nazis seine Wohnung verlor.


Am 8. Jänner 1899 wurde aus dem seit 1897 bestehenden 1. Wiener Arbeiter Fußball-Club ein neuer Verein: Der Sportclub „Rapid“. Den Antrag für den neuen Namen stellte auf der Generalversammlung der Klubsekretär Wilhelm Goldschmidt. Unsere Rapid verdanken wir diesem Mann mit mährischem Migrationshintergrund und jüdischer Herkunft. Am 22.7.1880 war er in Brünn geboren worden. Im Zuge der Ermordung der Wiener Jüdinnen und Juden wurde er am 5. Juni 1942 in einem Deportationszug ins deutsch besetzte Izbica in Polen deportiert. Zwischen dem 9. April und dem 5. Juni 1942 gingen insgesamt vier Deportationstransporte mit 4.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern vom Wiener Aspangbahnhof nach Izbica ab, wie das DÖW berichtet. Hier hatten die deutschen Behörden ein Durchgangslager der Shoah errichtet. Von März bis Juni 1942 wurden 17.000 Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich, dem deutsch besetzten Tschechien und aus der faschistisch regierten Slowakei nach Izbica deportiert. Von dem Sammellager gingen Bahntransporte in die Vernichtungslager Bełżec und Sobibór. 4.500 Jüdinnen und Juden wurden von der SS auf dem örtlichen Friedhof von Izbica erschossen. Die Spur des 62-jährigen Lebens des Wilhelm Goldschmidt verliert sich hier. Niemand von den 4.000 nach Izbica deportierten österreichischen Jüdinnen und Juden überlebte das Morden der Nazis. Wilhelm Goldschmidt war der erste bedeutende Rapid-Funktionär der Vereinsgeschichte und einer von 66.500 Österreicherinnen und Österreichern und sechs Millionen Europäerinnen und Europäern, die den Nazis nach ihren „Nürnberger Rassegesetzen“ als jüdisch galten und deshalb von ihnen umgebracht wurden.


Rapid-Präsident Michael Krammer eröffnete die Aktivitäten Rapids zum 120-jährigen Jubiläumsjahr 2019.


Rapid-Geschäftsführer Christoph Peschek zitierte die Proletenpassion: „Wir wissen, wohin wir gehen, weil wir wissen, woher wir kommen.“


Rapideum-Koordinator Laurin Rosenberg erzählte über die Person Wilhelm Goldschmidt


Gerald Netzl vom Fanklub Grün-Weiße AkademikerInnen, auch engagiert im Verein Steine der Erinnerung in Liesing. Der Fanklub bezahlte von sich aus die Kosten für die Verlegung des Gedenksteins. Netzl spannte den Bogen der Erinnerung in die Gegenwart und verwies auf die positive Errungenschaft, dass früher zu hörende antisemitische Gesänge gegen den Stadrivalen heute der Vergangenheit angehören, und heute auch Homophobes und Rassistisches beendet werden sollte.


Adi Hasch, Stellvertreter der Bezirksvorsteherin des II. Wiener Gemeindebezirks


Mit dem 2011 von Jakob Rosenberg und Georg Spitaler unter Mitarbeit von Domenico Jacono und Gerald Pichler erstellten Buch Grün-Weiß unter Hakenkreuz wurde der Name Wilhelm Goldschmidt einer größeren Öffentlichkeit in Erinnerung gerufen. Jakob Rosenberg erklärte damals: „Es ist ein Sieg der Nazis, dass in Vergessenheit geraten ist, dass Jüdinnen und Juden ein Teil des Alltags waren. Auch bei Rapid.“ 2016 leiteten die Ultras Rapid ihre Jubiläumschoreographie zu 75 Jahren deutscher Meister Rapid 1941 mit dem großen Spruchband „Gewidmet Wilhelm Goldschmidt und allen Rapidlern, die dem Dritten Reich zum Opfer fielen“ ein. Lesenswert ist dazu der Beitrag „Niemals vergessen“ von Domenico Jacono (pdf) aus dem Block West Echo 37. Der Stein der Erinnerung erinnert nun an Wilhelm Goldschmidt.


Seit 2005 werden in Wien von einem gleichnamigen Verein sogenannte Steine der Erinnerung als Gedenksteine an den Wohnorten und Orten der Vertreibung und Deportation von Wiener Jüdinnen und Juden durch die Nazis verlegt. Gleiches tun auch vier weitere Vereine in jeweiligen Wiener Bezirken. Da die Hauseigentümer überwiegend das Gedenken an die ermordeten Bewohnerinnen und Bewohner ablehnen, werden die Gedenksteine auf öffentlichem Grund am Gehsteig verlegt. Eine sehr wichtige Initiative. Es ist in Summe das größte Denkmal für die Ermordeten der Shoah und erinnert an sie als ermordete Nachbarinnen und Nachbarn an ihren Wohnorten. Das Konzept stammt vom deutschen Künstler Gunter Demnig, der über die Wiener Nachahmung seiner Arbeit verärgert ist. Seit 1992 hat Demnig über 70.000 seiner Stolpersteine genannten Gedenksteine in 24 Ländern verlegt.


Klubsekretär Wilhelm Goldschmidt am ältesten Mannschaftsfoto aus dem Jahr 1898 (rechts stehend)

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