In Berliner Bezirk Wedding stand von 1923 bis 1974 die Heimstätte von Hertha BSC. Auch wenn der Verein ab 1963 Bundesligaspiele im großen Olympiastadion spielte, war die Hertha hier zuhause.
Die „Plumpe“ war ein reines Fußballstadion, in das im Vollausbau (bis 1945) 35.000 Zuschauerinnen und Zuschauer paßten. Neben 2.642 Sitzplätzen und überdachten Plätzen auf der am 6. Mai 1945 abgebrannten Haupttribüne (rechts im Bild) gab es 32.597 Stehplätze. Nach den Kriegsschäden war die Kapazität auf 20.000 Plätze reduziert.
Nach dem Abriß des Stadions 1974 wurde eine Wohnhausanlage errichtet. Der Bundesliga-Skandal von 1971 hatte Hertha an den Rand des finanziellen Ruins gebracht, da auch viele Hertha-Spieler in die Spielmanipulationen verwickelt gewesen waren. Mit 163:15:57 Stimmen stimmten die Vereinsmitglieder einem Notverkauf der Plumpe zu. Da die Stadt das Grundstück in Bauland umwidmete, konnte der Verein damit den erdrückenden Schulden entkommen. Der Preis für die Rettung des Vereins war der Verlust der Heimat.
Skulpturen des Bildhauers Michael Schoenholz aus dem Jahr 1978 erinnern hier heute an die Vergangenheit dieses Orts: Eine Gruppe von jubelnden Fußballern an der Brehmstraße und ein zerissener Lederball an der Swindemünder Straße. Ab 1923 errichtete Hertha BSC das Stadion am Gesundbrunnen, der im Volksmund Plumpe (Verballhornung des Wortes Pumpe) genannt wurde. 1924 wurde es eröffnet. Zuvor hatte der BFC Hertha 92 auf der gegenüberliegenden Straßenseite am damaligen Schebera-Platz und nunmehrigen NNW-Platz gespielt und siedelte sich dann nach der Fusion mit dem Berliner-Sportclub zu Hertha BSC hier an.
Der Vereinssitz, das Hertha-Domizil, einst und heute. Das Haus war 1924 vom Nachbarverein Norden-Nordwest errichtet worden und ging nach dem Zweiten Weltkrieg an die Hertha.
Bild: hertha-geschichte.de
heutige AnsichtHinter den Toren wurden 1926/27 mittels hoher Erdhügel imposante Stehplatztribünen errichtet. Hier im Bild der östliche Uhrenberg, wo die Stadionuhr stand. Im Vordergrund ist links ist das damalige NNW-Kasino zu sehen, das spätere Hertha-Domizil.
Bild: hertha-geschichte.de
Vis-à-vis vom Uhrenberg stand auf der Westseite die zweite riesige Stehplatztribüne, der Zauberberg. Hier im Bild vollbesetzt bei einem Spiel. Hertha BSC wurde hier zum deutsche Spitzenverein. Als Serienmeister der Berliner Meisterschaft erreichte die Hertha von 1926 bis 1931 sechsmal hintereinander das Endspiel um die deutsche Meisterschaft und wurde 1930 und 1931 deutscher Meister.
Bild: hertha-geschichte.de
Bei den Olympischen Spielen von 1936 fanden an der Plumpe (wie auch im Poststadion) Spiele des Fußballturniers statt. Im Achtelfinale traf hier Österreich auf Peru. Es wurde ein Skandalspiel: Peru gewann in der Verlängerung 4:2. Nach dem 4:2 stürmten peruanische Fans den Platz. Österreich protestierte gegen das Resultat, da bereits zuvor während des Spiels Fans beim Torjubel auf das Feld gelaufen wären und österreichische Spieler attackiert hätten. Ein Wiederholungsspiel wurde angeordnet. Dazu kam es aber nicht mehr, da Peru aus Protest alle Sportlerinnen und Sportler aus den Olympiabewerben abzog. In Peru kam es zu Demonstrationen und Angriffen auf österreichische und deutsche Konsulate, da man die Annullierung als Schiebung sah. Die aus Amateurspielern zusammengesetzte österreichische Mannschaft erreichte kampflos das Semifinale und unterlag schließlich im Finale Italien. Berlin 1936 ist ein bis heute in Peru präsenter Fußballmythos. Es gibt aber auch kritische Stimmen gegen die peruanische Opferrolle. Man muß allerdings bedenken, daß ein politisches Eingreifen des NS-Regimes, wie es unterstellt wurde, nicht abwegig gewesen wäre.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Stadion wie die halbe Stadt schwer beschädigt. Aus der ersten Bestandsaufnahme von Hertha-Funktionären am 2. Mai 1945: „Tellerminen lagen überall herum und zwangen zur größten Vorsicht. Die Spielfläche hatte über 200 Bombentreffer aufzuweisen und sah wie umgepflügt aus. Hinter dem Uhrenberg türmten sich Mengen von Munition, Gewehren und Uniformstücken. Die toten Soldaten brachten wir zur hinteren Seitentribüne, um für eine würdige Grabstätte sorgen zu können.“ Es dauerte bis 1950 bis das Stadion wiedereröffnet werden konnte.
Mannschaftsbilder von Hertha BSC mit dem Stadion im Hintergrund, 1964/65 (oben) und 1972/73 (unten). Die Profimannschaft übersiedelte mit Gründung der Bundesliga 1963 im Olympiastadion, da das Stadion die Bundesliga-Anforderungen nicht erfüllte. Aber Jugend- und Amateurabteilung waren bis zum Schluß hier an der Plumpe zu Hause. Die erste Mannschaft kehrte in den Regionalliga-Jahren von 1965 bis 1968 noch einmal zurück und verließ die Plumpe dann 1968 endgültig.
Bilder: herthabscberlin1892.de.tl
Von der Millionenbrücke aus hatte man gute Sicht auf das Spiel. Ein Bild der bahnseitigen Längseite in den letzten Jahren. Der Abschied von der Plumpe lief nicht wie geplant. Das für den 22. Oktober 1974 angesetzte Abschiedsspiel gegen Nürnberg fiel aus, da der Platz nach Dauerregen unbespielbar war. Kurz darauf fuhren bereits die Bagger auf und begannen mit dem Abriß.
Bild: herthabsc.de
Auf diesem von der Brücke aufgenommenen Bild aus dem Jahr 1972 sieht man links die Tribüne des Uhrenbergs und einen Flutlichtmasten des Stadions sowie vorne die angrenzenden Geleise des Bahnhofs Gesundbrunnen. Die Häuser im Hintergrund gehörten schon zu Ost-Berlin. Nach dem Mauerbau 1961 war es vielen Hertha-Fans nicht mehr möglich war, ein Spiel zu besuchen, weil sie sich auf der falschen Seite der Mauer befanden und den Ostteil nicht mehr verlassen durften. Zwei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 kamen dann am 11. November 1989 11.000 Menschen aus Ostberlin ins Olympiastadion, um dort vor ingesamt 44.000 Hertha BSC in der 2. Bundesliga gegen Wattenscheid spielen zu sehen.
Bild: Bernd Freimann
heutige AnsichtDie Swindemünder Brücke („Millionenbrücke“) über die Eisenbahngleise.
Übersicht über die Umgebung (Kartenansicht)
Literatur
- Ernest Breitschwerdt, Stadion am Gesundbrunnen − „Plumpe“. in: hertha-geschichte.de
- Paul Doyle, The forgotten story of ... football, farce and fascism at the 1936 Olympics. in: theguardian.com, 24.11.2011
- Gerhild H.M. Komander, Der Wedding. Auf dem Weg von Rot nach Bunt. Berlin 2006
- Carlos Lara Porras, La verdadera historia de los olímpicos de Berlín 1936. in: peru21.pe, 8.8.2012
- Gerhard Urbanek, Rassistische Demonstration oder südamerikanischer Fan-Eklat? Das Skandalspiel vom Berliner „Gesundbrunnen“. in: Ders., Österreichs Deutschland-Komplex: Paradoxien in der österreichisch-deutschen Fußballmythologie. Münster 2012, S.164−167
- Stadion am Gesundbrunnen. in: Wikipedia
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