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Mittwoch, 29. November 2017

Tornados spezial, 40



Rezension


Tornados spezial
Ausgabe 40
94 S.









Nachdem voriges Jahr das zwanzigjährige Bestehen der Tornados gefeiert worden war, gibt es mit Ausgabe 40 ihres Fanzines ein weiteres Jubiläum: Seit zwanzig Jahren erschienen jährlich zwei Hefte des Tornados spezial und sind damit eine bedeutende Referenz der Hütteldorfer Fankultur geworden. Doch man stellt sich mittlerweile leider die Sinnfrage, denn es „stagniert die Anzahl der Rapidler, die sich für unser Werk interessieren, obwohl die Stadion- und Kurvengeher mehr geworden sind.“

Die Titelgeschichte des Hefts beschäftigt sich mit einem spannenden Thema, dem Verhältnis von Hütteldorfer Fanszene und Medien. Vom aktuellen Anlass der Aufregung um die Journalisten-Terroristen-Choreographie der Ultras, die auch das Titelblatt ziert, blickt man in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. „Schon 1923 finden sich mehrere Berichte über den ‚Terror der Rapid-Fans‘ in den Zeitungen. Fanatische Anhänger wurden zu jeder Epoche der österreichischen Fußballgeschichte problematisiert. Der Ton war stets scharf und abwertend. Auch die fehlende Bereitschaft zur inhaltlichen Auseinandersetzung ist bis heute geblieben.“ Einige Ausschnitte aus Zeitungen illustrieren das und auch medienkritische Spruchbänder des Block West aus den letzten Jahren werden abgebildet. Es gab aber auch andere Zeiten, so erzählen hier Domenico und Koby, wie in den 1980er Jahren ORF und Kronen Zeitung über Fans berichteten und es zu Kooperationen und Zusammenarbeit kam. Als historischer Seitenblick wird auch kurz auf den in der österreichischen Fußballgeschichte bedeutenden Publizisten und Rapid-Anhänger Leo Schidrowitz geblickt.

Zur gegenwärtigen Situation werden einige konkrete Punkte genannt: Polizeiberichte werden unkritisch weiterverbeitet („Die Sicht der Exekutive ungeprüft, ohne eigene Rechercheleistung, weiterzuverbreiten, verdient sich jedenfalls nicht die Bezeichnung Journalismus − genau das passiert jedoch ständig.“), der mediale Standard, in der Berichterstattung über das Geschehen im Fußball die Perspektive der Fans nicht zu berücksichtigen sowie das Thema der persönlichen Vorlieben. Auch wenn Medien nicht differenzierten, wird aber dazu aufgerufen, selbst nicht ins andere Extrem hineinzukippen: „Es ist daher definitiv der falsche Ansatz, pauschal von einer ‚Lügenpresse‘ zu schwadronieren.“ Man solle nicht alles glauben ohne es zu hinterfragen, es gebe aber eben auch guten Journalismus. Doch ohne Blick auf das eigene Verhalten funktioniere die Sache eben nicht: „Sich über die schlechte Qualität aufzuregen und dabei aber jeden Tag Gratiszeitungen zu lesen und am Abend Doku-Soaps auf ATV zu schauen, passt halt nicht zusammen. Gute Medien funktionieren nämlich mitunter genau deshalb nicht, weil sie nur ganz Wenige konsumieren.“ Explizit als Medium, mit dem die Hütteldorfer Fanszene auch regelmäßig spricht, da es seriös recherchiert, und wird der Ballesterer genannt.

Die Zukunft einer medialen Gegenöffentlichkeit durch Fanzines ist angesichts der oben angesprochenen geringen Resonanz ungewiss. „Der immense Aufwand, den wir mit diesem Fanzine betreiben, steht mittlerweile in völligem Widerspruch zur Reichweite.“ stellen die Tornados fest und eine mögliche Verlagerung ihrer Inhalte in eine Onlineversion in den Raum. Die Nachricht ist hart und betrüblich: „Diese Ausgabe 40 könnte womöglich die letzte Ausgabe in dieser Form sein.“

In der vorigen Ausgabe hatte es einen wunderbaren Schwerpunkt über die vielen tschechischen Spuren in der Rapid-Geschichte gegeben. Als Fortsetzung gibt es hier ein Interview mit dem legendären Antonín Panenka über sein Wohlfühlen in Wien und bei Rapid, das er sein zweites Zuhause nennt: „Wir waren nach jedem Spiel im Gasthaus. In der Tschechoslowakei und auch hier. Hier in Wien war ich meist mit meinem Freund, dem Josef Kadraba (der Vizeweltmeister von 1962 war nach erlaubtem fünfjährigem Aufenthalt von 1967 bis 1972 als Flüchtling in Wien geblieben, weswegen er in der Tschechoslowakei in Abwesenheit zu einer Haftstrafe verurteilt wurde), im Gasthaus − beim Abdullah. Nach jedem Spiel waren wir dort und da waren viele Rapid-Fans. Wir haben ein bissl getrunken, bissl geplaudert. Es war immer sehr angenehm.“ Weiters ist im Heft ein Portrait von Ernst Happel von Rapideum-Koordinator Laurin Rosenberg zu lesen. Interessante Einblicke bietet ein Interview mit den Kooperationsanwälten der Rechtshilfe Rapid.

Standardgemäß wird ausführlich auf die Rapidspiele im Frühjahr 2017 zurückgeblickt. Über Aktuelles bei den befreundeten Kurven von Ferencváros und Parma gibt es auch wieder etwas. Besonders schön ist diesmal wieder der Groundhoppingteil, in dem für diese Leidenschaft bekannte Gruppenmitglieder über ereignisreiche Reisen im Kosovo und in Mazedonien einerseits und den USA (Hawaii!) und Kanada andererseits erzählen. Über Spielverschiebungen dort und unfähige Hotelrezeptionen dort.

Für einiges an Schmunzeln und Zeitreise in andere Zeiten sorgt der Faksimile-Rückblick auf die vergangenen zwanzig Jahre des Hefts. „Im Tornados Spezial spiegelt sich die Entwicklung von TR wieder: Begonnen als Hetz und Gaudium, steigerte sich sowohl die Qualität der Gruppe als auch die unseres Fanzines.“ Es wird fehlen, wenn es das als Heft nicht mehr geben sollte. Die Ankündigung, sich auch in möglicher anderer medialer Umsetzung nicht zu verbiegen, lässt einen aber doch dennoch auch zuversichtlich für die Zukunft hoffen.

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