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Mittwoch, 22. April 2015
Ballesterer 101
Rezension
Ballesterer
Nr. 101, Mai 2015
82 S.
Erinnerungen an eine große Zeit der Rapid vor zwanzig Jahren weckt diese Ausgabe des Ballesterer. Die Titelgeschichte über Paris Saint-Germain lässt sofort an das Europacupfinale 1996 denken. Die Nostalgie wird durch einen kleinen Artikel mit Reflexionen damaliger Rapidspieler auch befriedigt. Als Zuckerl gibt es außerhalb des Schwerpunkts in der Rubrik Was wurde aus? über Peter Guggi und sein heutiges Leben zu lesen. Zum Finale von 1996 erklärt der damalige PSG-Spieler Vincent Guérin im Interview das Abfälschen des N'Gotty-Freistoßes durch Peter Schöttel zum Ausdruck, dass es „also doch Gerechtigkeit auf dieser Welt“ gäbe. Was für ein kapitaler Fehlschluss, war dies doch einer der nachdrücklichsten Beweise der fundamentalen Ungerechtigkeit des Fußballs, des Lebens, der Welt, des Universums.
Als „modernsten aller Fußballklubs“ portraitiert Frankreich-Experte Christoph Heshmatpour den PSG. Die aktuelle Episode eines vom Staatsfonds eines arabischen Emirats mit Millionen gefütterten Plastikklubs ist für ihn nur das jüngste Kapitel einer weiter zurückreichenden Geschichte. Der Verein entstand in den 1970er Jahren am Reißbrett, um das auf der Überplattung der Stadtautobahn neugebaute Stadion des Parc des Princes zu füllen. Eineinhalb Jahrzehnte wurde PSG vom Fernsehsender Canal+ geführt, die mit der Schaffung eines Gegengewichts zu Olympique Marseille ihre Übertragungsrechte dramaturgisch aufwerteten. Mit dem radikalen Hinauswurf aller organisierten Fans wurde der moderne Fußball noch vor der Übernahme durch den katarischen Staat perfektioniert.
Heshmatpour schreibt auch über den die PSG-Fankultur bis zur Zäsur 2010 lange prägenden gewaltsamen Konflikt der beiden Fantribünen, die „Rivalität zwischen der rechten, weißen, britisch inspirierten Boulogne auf der einen Seite und der multikulturellen, ultraorientierten und durchaus antifaschistischen Auteuil auf der anderen Seite“ und führt ein Interview mit einem ehemaligen Ultra der Auteuil über die Konsequenzen der polizeilichen Auflösung der Fanklubs. Die Durchsetzung von Ruhe als erster Bürgerpflicht beschreibt er am Beispiel eines Fans, der mit einem Ruf im Stadion eine Eintrittspreiserhöhung kritisierte. Da diesen auch andere übernahmen und ein Sprechchor daraus wurde, wurde er nach Idenitifikation mit Stadionverbot belegt.
Interessant sind auch die Randbemerkungen zur Fußballstruktur Frankreichs, denn nicht nur in der Hauptstadt Paris gibt es hier nur einen dominierenden Großverein: „Frankreich ist das Land ohne Stadtderbys, jede Kommune von Marseille bis Lyon und Lille hat einen einzigen von der öffentlichen Hand unterstützten Profiklub, dahinter klafft nicht nur in Paris eine große Lücke. Im Jahr 1999 wurde Ajaccios Zweitklub Gazélec der Aufstieg in die zweite Liga sogar verweigert. Grund war eine mittlerweile aufgehobene Bestimmung, die Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern nur einen Profifußballklub genehmigt.“
Weiters gibt es im Heft u.a. eine schöne Fotostrecke von Dieter Brasch vom jüngsten kleinen Wiener Derby Sportklub gegen Vienna, von Reinhard Krennhuber treffend als „Ausnahmezustand in Hernals“ beschrieben, oder einen Artikel über Korruption und Bankrott in der rumänischen Liga von Eva Konzett. Alexander Juraske hat auf einem Budapestausflug auch das schöne Wandgemälde zum ungarischen „Spiel des Jahrhunderts“ von 1953 entdeckt.
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