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Dienstag, 13. Juli 2010

Der Traum vom Europapokal


Rezension

Terence Träber
Der Traum vom Europapokal
Fußballklubs auf internationalem Höhenflug
Mit Texten von Gernot Drews
Kassel 2009 (Agon Sportverlag)
404 S.




Das bemerkenswerte Buch erzählt über 35 Vereine aus 19 Ländern und ihre Erfolge im Europacup in den Jahren 1955/56 (Stade de Reims im Meistercup) bis 1993/94 (Karlsruher SC im UEFA-Cup). Terence Träber hat in einer Herkulesarbeit Material über Klubs abseits der heutigen Glitzerwelt des modernen Fußballs zusammengetragen, die mindestens eine Halbfinal-Teilnahme und maximal einen Europacupsieg erreichten. Da weit über 100 Vereine diese Kriterien erfüllten, reduzierte er auf eine Auswahl. Leider war kein Platz für einen österreichischen Verein. Über Rapid (1x Semifinale im Meistercup 1961 und 2x Finale im Cup der Cupsieger 1985 und 1996) hätte ich hier gerne gelesen. Ein wenig findet sich darüber im Portrait von Antonín Panenka im Kapitel über die Bohemians aus Prag oder wenn Rapid als Gegner auftaucht, etwa beim Triumph von Everton 1985.

Nostalgie ist ein zentrales Moment des Buchs. Die meisten Vereine hatten ihre große Zeit, ihr großes Jahr, ihre große Mannschaft, doch konnten sich nicht auf Dauer an der Spitze etablieren. "Wenn die besten Spieler eines Klubs auf eine Generation fallen, hat das einen entscheidenden Nachteil: Die Fans dieses Vereins werden immer jener Zeit nachtrauern." schreibt Träber über West Ham United. Dies liefert allerdings auch die besten Geschichten.
Einige der Begebenheiten sind geradezu atemberaubend dramatisch. So das Semifinale des Cupsieger-Cups 1970 als sich AS Roma nach dem Tor zum 2:2 in der 120. Minute der Verlängerung jubelnd im Finale wähnte. Dank Auswärtstorregel. Bis sie aufgeklärt wurden, daß diese in ihrem ersten Jahr noch nicht für die Verlängerung galt und ein Wiederholungsspiel angesetzt wurde. Dieses endete nach 120 Minuten ebenfalls unentschieden. Elfmeterschießen gab es noch nicht. So entschied ein Münzwurf des Schiedsrichters, daß der polnische Verein Górnik Zabrze sensationell ins Finale einzog.
Vom UEFA-Cup-Halbfinalmatch zwischen Hajduk Split und den Tottenham Hotspurs 1984 berichtet Träber: "Unerfreuliche Konsequenzen hatte der 'Auftritt' eines Hajduk-Anhängers in der Halbzeitpause: Im irrtümlichen Glauben, beim Wappentier der Spurs handele es sich um einen Hahn, schlachtete er ein solches Federvieh mitten auf dem Rasen. Bei der Disziplinarkommission der UEFA fand diese Aktion wenig Anklang". Wären sie ins Finale gekommen, hätten sie ihr Heimspiel aufgrund einer folgenden Platzsperre der UEFA woanders austragen müssen. Da wäre ich nicht gern in der Haut des Betreffenden gesteckt.

Gefehlt haben mir Angaben zu den Quellen der oft beeindruckend detailreichen und spannenden Schilderungen. Bei der Beschreibung der Stadien denkt man sich, daß diese wohl besucht worden sind ("Als wolle der Klub mit aller Macht demonstrieren, daß er der älteste des Landes ist, modert die Haupttribüne des Stadions vor sich hin." berichtet Gernot Drews über das Bosuilstadion von Royal Antwerpen). Bei der Nacherzählung des Spielverlaufs der Matches, bei denen man sich an Ort und Stelle versetzt fühlt, denkt man sich, daß hier wohl damalige Zeitungsberichte konsultiert wurden ("Edin Čurić markierte nach einem Patzer Péter Disztls das 2:0 und versetzte die Fans von 'Željo' in Ekstase. Und vor allem deren Trainer. Ivica Osim war nun nicht mehr auf der Bank zu halten." lautet z.B. eine Episode aus dem UEFA-Cup-Semifinale zwischen Željezničar Sarajevo und Videoton Székesfehérvár 1985). Auch Bücher werden wohl nicht zu knapp verarbeitet worden sein. Doch nicht einmal zu den wichtigsten Quellen gibt es zumindest Hinweise. Das ist schade.

Imponiert hat mir der wohlüberlegte einleitende Abschnitt über korrekte Schreibweisen. Träber plädiert für die Verwendung der richtigen Zeichen (z.B. Fenerbahçe und nicht Fenerbahce) und korrekte Transkription der Namen − mit der nur zu unterstreichenden Begründung "Schalke bleibt schließlich auch Schalke und wird im Ausland nicht etwa zu Shalke, Scialke, Şalke, Šalke oder Salke."

Ein Buch, das immens viel Lesestoff für schöne Lektürestunden bietet sowie den eigenen Anekdotenschatz und das Fußballwissen erweitert.

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