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Mittwoch, 13. August 2008
Ballesterer 35
Rezension
Ballesterer fm
Nr. 35, August/September 2008
66 S.
Der Ballesterer-Schwerpunkt dreht sich diesmal um Taktik. Reinhard Krennhuber fängt in seinem historischen Taktiküberblick da gleich mal mit den Grundlagen an, dem bibelparaphrasierenden "Am Anfang war das Chaos.". Also vollständig: Εν αρχή ην το χάος, και το χάος ην προς τον θεόν, και θεός ην το χάος. Wobei χάος (Chaos) ja in meinem Gemoll als weiter Raum übersetzt wird. Somit meint "Am Anfang war das Chaos." ja eigentlich "Am Anfang war der Raum." Das wäre auch kein falscher Einstieg in die Tour d'horizon durch die Spielsysteme gewesen.
P.S.: Und wer der θεός, der Fußballgott, ist, steht ja auch außer Frage: Also lautet der Leitsatz, als Schlußpunkt der Krennhuber-Exegese "Am Anfang war der Raum, und der Raum war bei Steffen Hofmann, und der Raum war Steffen Hofmann."
Aber genug der überdrehten Sophisterei ;-). Neben dem Eingangsartikel gibt es auch noch einen sehr lesenswerten Text von Dominik Sinnreich über den Totalvoetbal von Ajax und Holland in den 1970ern. Schade nur, daß immer Frenkie Schinkels als österreichischer Holland-Experte für eh alles firmiert. Er ist ja witzig, aber mehr? Macht auf jeden Fall Lust, das nur angelesene Buch von David Winner wieder beizeiten zur Hand zu nehmen.
Am eindringlichsten im Heft ist die prägnante Schilderung von Didi Kühbauer über die taktische Ausbildung und Formation bei der Admira und Rapid in den 90ern: "In der Abwehr standen ein Libero mit gutem Auge und daneben zwei Menschenfresser. In der Mitte ein Zehner für das Kreative plus sein Wasserträger und auf den Seiten zwei Traber, die wie verrückt gelaufen sind. Vorn dann noch die Knipser", beschreibt Kühbauer das gängige 3-5-2. Taktische Feinheiten und Systemschulungen standen nicht auf dem Trainingsplan, auch später bei Rapid beschränkte sich Trainer Ernst Dokupil öfters auf ein eindringliches: "Macht's euer Spiel, Burschen!" So unglaublich es heute klingt, aber das war state of the art der 1990er, immerhin einer Meister- und Europacupfinalmannschaft. Also beileibe nicht anekdotisch zu sehen, so anachronistisch es heute auch wirkt. Aber wie Wolfgang Pennwieser sarkastisch als Defizit von hiesigem Fußball und v.a. der Fußballberichterstattung feststellt: "In Österreich hat das Spielsystem keine Bedeutung. Stattdessen sind Herzblut, Leidenschaft und Wetter entscheidend."
Sonst gibt's noch interessante Hintergründe über den Ried-Spieler und -Fan Andreas Bammer, über den Mensch hinter dem Fußballer Charles Amoah (bei St. Gallen ein Held, bei Sturm Graz unvergeßlicher Millionenflop), über den Aufstieg des Liechtensteiner Vereins FC Vaduz in die höchste Schweizer Liga (darüber auch unlängst in WSC), über Nanni Balestrini - und darüber, daß die Chiffre Córdoba nicht nur für einen Länderspielsieg steht, sondern v.a. auch für Folter und Tod in einer grausamen Militärdiktatur. In der verdienstvollen Vereinsnamen-Serie geht's diesmal um den Namen Viktoria; die Wiener Viktoria wird erwähnt, die Viktoria Bregenz nicht. In der sich gut entwickelnden Abschlußrubrik Nachspielzeit gibt's noch einen historischen Zeitungsbericht über das 7:0 des Wiener Sportclub gegen Juventus im Europacup 1958.
Der größte Lacher im Heft: Reaktionen aus der Provinz anläßlich einer Tormusik-Auflistung: "Ratlosigkeit erzeugte die ballestererfm-Anfrage in St. Pölten. Eine kurze Umfrage im Sekretariat ("Tormusik? Hamma so was? - "Was soll des sein?") ergab, dass die jubelnden Zuseher die einzige Geräuschkulisse nach einem Tor sind. "Sogns eana, se soin amoi Tore schiaßn", meinte wiederum der Präsident des FC Vöcklabruck, nachdem er seiner Pressesprecherin das Telefon entrissen hatte." Letztere haben mittlerweile getroffen, mögen sich aber erstere weiter der modernen Tormusik (Altach spielt einen Werbejingle auf seinen Sponsor!) verweigern.
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