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Freitag, 19. Juli 2019
„Grün-Weiß sind unsere Farben“
Rezension
Julian Schneps
„Grün-Weiß sind unsere Farben“
Die Trikots des SK Rapid
Wien 2019
210 S.
Im Jubiläumsjahr zu 120 Jahren Rapid stellt Julian Schneps in diesem Buch die Dressen seit 1899 vor: 120 Jahre Trikotgeschichte. Schneps verweist einleitend auf die Bedeutung der Dress nicht nur für den Verein sondern auch für Fans: „Fußball-Trikots definieren ganze Epochen. Sie stehen für die schönsten Erfolge, aber auch für die bittersten Stunden. Während ein Trikot für manche ein unbedeutendes Stück Stoff ist, ist es für Fans ein unverzichtbarer Teil ihres Lebens, mit dem emotionale Ereignisse verbunden werden. Das erste eigene Rapid-Trikot erzählt für jeden Fan eine ganz besondere Geschichte. Wird es Jahre später wieder ausgepackt, ist es ein Stück voller Erinnerungen. Die Präsentation neuer Trikots ist jedes Jahr ein Saisonhighlight.“ Ich muss es sagen: Mir selbst ist das Thema fremd. Ich habe noch nie ein Rapid-Dress getragen, besessen oder gekauft, mir auch als Kind und junger Rapidfan sowas nie gewünscht. Mit einer bestimmten Dress mit einem Muster oder einem Sponsorenaufdruck eine Epoche oder emotionale Bezüge zu verbinden − Trikots als lieux de mémoire − war für mich ein neu erfahrener Gedanke bei der Lektüre des Buchs. Den angesprochenen jährlichen Dressenpräsentationen widme ich keine gesteigerte Aufmerksamkeit und nehme dann meist das Resultat medial vermittelt wahr. Mir ist wichtig, dass Rapid in den grün-weißen (oder blau-roten) Farben spielt. Längsgestreifte Dressen gefallen mir besser als andere. Sponsorenaufdrucke bräuchte ich nicht. Aber das war es schon.
Daher war das Buch aufgrund vieler mir neuer Sichtweisen spannend zu lesen. Julian Schneps skizziert die Geschichte der Farbwahl des vom Vorgängerverein 1. Wiener Arbeiter Fußball-Club übernommenen Blau-Rot und den Wechsel zu Grün-Weiß 1906. In beiden Fällen sind die Beweggründe für die Auswahl nicht eindeutig geklärt, es gibt aber gut untermauerte Thesen. „Das älteste erhaltene Original-Trikot stammt aus den späten 1940er/frühen 1950er-Jahren und ist heute im Rapideum ausgestellt.“ Es ist aus dem Nachlass von Ernst Happel. Detailliert wurde das Aussehen zahlreicher Dressen im Lauf der ersten Jahrzehnte rekonstruiert und grafisch nachgebaut. Erst für die jüngeren Jahrzehnte gibt es Farbfotos. Anhand der Gestaltung zeigt Schneps auf, „dass es schon in den Anfangsjahren keine Einheitlichkeit bei der Ausrichtung der grünen Streifen gab: Waren sie 1906 noch horizontal, so sind sie [...] 1912 vertikal ausgerichtet. Andere Aufzeichnungen aus der Premierensaison der Meisterschaft zeigen jedoch auch Trikots mit waagrechten Streifen. Auch heute gibt es diesbezüglich keine klare Linie, der Stil wechselt laufend.“
Großes Augenmerk legt der Trikotexperte nicht nur auf die Veränderungen des Designs der Dressen sondern auch auf die jeweilige Ausrüsterfirma, das erst seit 1996 durchgängig aufgedruckte Rapidwappen − und das große Thema der Sponsoren. Die Raiffeisenbank war im März 1970 als erster Sponsor am Rapid-Dress zu sehen. Alle wechselnden Dressensponsoren werden hier ausführlich aufgelistet und Schneps arbeitet heraus, wie schnell wechselnd und teilweise nur für wenige oder einzelne Spiele diverse Firmen zu sehen waren. Hier merkt man am Text die intensiven und grundlegenden Forschungen, die er dazu unternommen hat. Die wechselnden Sponsoren werden als wichtiges Kriterium für die Definition der Unterschiedlichkeit von Dressen beschrieben und wenn es wie 1993/94 mit Ausnahme zweier Runden eine Saison lang keinen Sponsor am dadurch eigentlich schönen Dress gab, gilt das hier demgemäß als „Super-GAU“ oder „sponsorlose Tristesse“. In den letzten beiden Jahrzehnten stellt Schneps fest, dass in der Gestaltung der Dressen Kontinuität und Stabilität eingezogen hat bzw., wie er schreibt: „Ab dem Jahr 2000 wurde es trikottechnisch eher ‚fad‘. Die wilden Trikots und die dauernden Wechsel von Ausrüstern und Sponsoren waren vorbei.“
Zwei heute glücklicherweise undenkbare Abkehren von den Vereinsfarben beleuchtet Schneps im Buch auch: 1988 wurde im Wintertrainingslager in Saudi-Arabien in rot-weißen Dressen in den Farben des Sponsors AUA gespielt und am 8. Jänner 2005 in der Stadthalle blau-schwarz, ausgerechnet am Gründungstag − wogegen es dann auch Fanprotest gab.
Eine interessante Sache ist die Unterschiedlichkeit der historischen Sektionen wie der Leichtathletiksektion (1914 − 1960er Jahre) in ihrer Dressengestaltung, wie Schneps in einem Exkurs dazu feststellt: „Obwohl sich im Fußball die Verwendung des Wappens oder eines ähnlichen Symbols auf der Sportkleidung erst in den 1980er Jahren langsam durchsetzte, kommen Rapid-Symbole auf der Kleidung der anderen Sektionen schon früh zum Einsatz. Während die Leichtathletik dafür auch eigene Symbole einsetzte, wurde von der Fahrradsektion auch auf einen Vorgänger des heutigen Wappens zurückgegriffen.“
2009 gab es zum Auswärtsspiel in der letzten Runde in Kapfenberg erstmals eine vom Block West ausgerufene Mottofahrt in Rapiddressen. Im Buch ist der damalige Flyer der Ultras Rapid mit dem Aufruf dazu abgedruckt. „Es gibt nichts Größeres als Grün-Weiß, als das Rapid-Trikot. Die Vielfalt war bereits beim ersten Versuch sehr schön, seitdem wird versucht, das immer in der letzten Runde zu wiederholen. Die Trikots im Sektor geben ein schönes Bild ab und zeigen gleichzeitig Geschlossenheit.“ wird Oliver Pohle dazu zitiert.
Auch Spezialthemen wie Einzelsponsoren, Rückennummern, Spielernamen, Kapitänsschleifen, diverse Details etc. werden im Buch behandelt. Wenn man ein einfaches Fotobuch in Katalogform erwartet hat, in dem Dressen chronologisch abgebildet sind, liegt man hier falsch. Es ist eine ausführlich beschriebene, gut analysierte und aufbereitete Darstellung eines wichtigen Aspekts der Rapid-Geschichte.
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