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Freitag, 14. August 2015
Sturm Echo, 342
Rezension
Sturm Echo, 342
Offizielles Magazin des Sportklubs Sturm Graz
Nr. 342, Frühling 2015
62 S.
Das dreimal jährlich erscheinende Vereinsmagazin von Sturm Graz beschäftigte sich im Schwerpunkt seiner Frühjahrsausgabe mit der Vergangenheit des Vereins in der Nazizeit. Der Grazer Historiker Walter M. Iber beschreibt die Ergebnisse seiner Forschungen dazu in einem Artikel. Erste Thesen seines Forschungsprojekts Der steirische Fußball und seine Traditionsklubs im Nationalsozialismus hatte ich 2012 in einer Tagung an der Grazer Universität gehört. Mit dem Titel seines für Herbst angekündigten Buchs „Erst kam der Verein, dann die Partei“ lässt sich auch sein Fazit für den SK Sturm zusammenfassen. Der Verein passte sich an die neuen Machtverhältnisse an und hatte einen lokalen Nazi als „Vereinsführer“ an der Spitze, aber „hinter der ersten Reihe lief das Vereinsleben indes ohne größere personelle Brüche weiter“, wie Iber feststellt. Es gab einzelne NSDAP-Parteimitglieder unter den Spielern, aber als Verein exponierte sich Sturm im Unterschied zum GAK und dem Grazer SC in der deutschnationalen Hochburg Graz nicht als Vorzeige-Naziverein. Sturm Graz hatte bei der Gründung auch einen „Arierparagraphen“ in den Statuten gehabt, der jüdische Spieler und Anhänger von der Mitgliedschaft ausschloss, diesen aber nach dem Ersten Weltkrieg wieder gestrichen und sich an den antisemitischen Urständen im steirischen Fußball der 1920er Jahre nicht beteiligt. Allerdings ließ sich Sturm auch für die NS-Propaganda einspannen und nahm in Personalnot während des Krieges flandrische und niederländische Legionäre aus einer in Graz stationierten Einheit der Waffen-SS als Spieler auf. Man kann wohl annehmen, dass es Mörder und Kriegsverbrecher waren. Iber analysiert, dass Sturm aus einem „Vereinsegoismus“ heraus auch tat, was nicht Regimeinteressen entsprach, aber sich über die politischen Brüche der dreißiger und vierziger Jahre hinweg dem jeweiligen politischen Rahmen anpasste.
In weiteren Texten zum Thema berichtet Benjamin Sikora vom Fußballbetrieb jener Zeit, erzählt ein Zeitzeuge im Interview und der Grazer Historiker Heimo Halbrainer schreibt über den im Frühjahr und Sommer 1945 ausgespielten Grazer Befreiungspokal, den Sturm gewann. Das Kollektiv 1909 der Sturm-Kurve trägt das Thema in die Gegenwart und beschreibt das Selbstverständnis als antirassistische und antifaschistische Fankurve, die sich aber als „unpolitisch“ definiert, also weder rechte noch linke politischen Symboliken duldet: „Generell gilt im Stadion: Die politische Ansicht eines Menschen hat seine Privatsache zu sein. Solange sie oder er nicht versucht, diese Einstellung nach außen zu transportieren, ist es nicht Sache der Fangruppen, sich damit auseinanderzusetzen. [...] Was wir aber nicht gutheißen können, ist, wenn jemand mit Sturm-Graz-Fanartikeln eine Demonstration besucht und so medienwirksam eine Verbindung zu unserem Klub und unserer Fanszene herstellt. So geschehen bei einer Hogesa-Demo in Deutschland.“
Aus Rapid-Perspektive interessant ist der Rückblick auf die Berichterstattung im seit 1968 bestehenden Sturm Echo auf das Auswärtsspiel Rapids bei Sturm Graz im Frühjahr 1983, mit Phantomtor und „randalierenden, jugendlichen Rapid-Rowdies.“
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