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Mittwoch, 30. April 2014

BlickWechsel


Rezension


Martin Haselwanter / Elisabeth Hussl / Elisabeth Gensluckner / Monika Jarosch / Horst Schreiber (Hg.)
BlickWechsel
Gaismair-Jahrbuch 2013
Innsbruck 2012
(Studien Verlag)
237 S.




Im Jahrbuch 2013 der Innsbrucker kritisch-sozialwissenschaftlichen Michael-Gaismair-Gesellschaft fand sich ein Themenblock zur Fußballfankultur bei Wacker Innsbruck.
Im Artikel „Nie werden wir so sein, wie ihr uns wollt!“ beschreibt Stefan Hebenstreit kundig für ein akademisches Publikum jugendliche Gegenkultur von Fußballfans und die Entwicklung der Innsbrucker (Ultra-)Fanszene. Armin Weber skizziert die sozialarbeiterische Fanarbeit. In einem weiteren Text beschäftigt Hebenstreit sich mit Irrwegen der Kommerzialisierung im Innsbrucker Profifußball und der Neugründung als Mitgliederverein nach Lizenzentzug und Auflösung des FC Tirol 2002. Dieser hatte sich ja wie zuvor Sturm Graz und danach der GAK Meistertitel mit Finanzkonstruktionen und Geld, das sie nicht hatten, erkauft, während andere Vereine verlacht wurden und auch heute noch mit leeren Händen aus jenen Jahren dastehen. Dies ist allerdings nur eine persönliche Randbemerkung. Thema des Artikels ist demokratische Willensbildung im Fußballverein.

Der spannendste Beitrag stammt von Isabella Preindl, die sich mit der Rolle „als Frau auf der Nordtribüne“ auseinandersetzt. Sie nähert sich ihrem Thema aus allgemeiner Perspektive sowie mit persönlicher Erfahrung. Sie beschreibt dabei eine klassische Fußballfanbiographie, wie sie als Teenager mit Freundinnen ins Stadion ging, sich mit anderen in einem Fanklub fand (Nordpol Innsbruck), intensive Jahre als aktiver Fan erlebte. Als Frauen erlebten sie dies aber in der männerdominierten Umgebung als Spezialfall. „Auch männliche Fans müssen gewisse ,Tests durchlaufen, wenn sie Mitglied eines Fanclubs bzw. der Fankultur werden wollen. Wir ,Mädls hatten aber immer das Gefühl, daß es für uns schwieriger ist, ,mann uns weniger glaubte und es viel mehr Zeit und Energie beanspruchte, um uns zu beweisen.“ Die Sonderrolle blieb, auch wenn sie anerkannte und wichtige Mitglieder wurden.
Wohl als Schutzmechanismus ignorierten sie sexistische Bemerkungen teilweise, wehrten sich aber auch erfolgreich gegen sie, sodaß sie weniger wurden. „Wir waren zwar weiterhin ,Mädchen, aber zumindest solche, mit denen man sich über die Geschehnisse beim und rund um den Fußball unterhalten konnte. Wahrscheinlich waren wir in den Augen der anderen eher so etwas wie ,männliche Mädchen oder ,weibliche Burschen und somit zumindest teilweise schon ,assimiliert.“ Die Zwischenstellung stellt Preindl auch an ihrem eigenen Verhalten fest, wenn sie einerseits männliche Muster übernahm − laut war, Bier trank, schimpfte etc. − andererseits als Kennzeichen immer ein rosa Kleidungsstück trug. Eine interessante Lektüre über Anpassung und Identität.

Abseits des Fußballs beinhaltet das Jahrbuch viele weitere Themen. Am spannendsten waren die Artikel zur NS-Geschichte in Tirol. Martin Haselwanter erinnert an eine gewaltsame Verhinderung einer Nazi-Veranstaltung in Hötting im Jahr 1932 durch Sozialdemokraten. Gisela Hormayr beschreibt das Schicksal der Ehefrauen von eingesperrten und hingerichteten Tirolern, die sich gegen das Nazi-Regime geäußert hatten: Die materielle Not der Familien und ihre Ausgrenzung in den Dorfgemeinschaften. Sie konnten nicht darüber reden und wurden auch in den Nachkriegsjahrzehnten als Frauen eines „Verräters“ behandelt.

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