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Freitag, 28. Dezember 2012
Transparent 3
Rezension
Transparent
Magazin für Fußball & Fankultur
Nr. 3/2012
66 S.
Höhepunkt des Hefts ist das Interview mit dem vor einem Monat verstorbenen Holocaustüberlebenden Miloš Dobrý, der vom Fußballspielen im KZ erzählt. Das Interview wurde geführt und eingeleitet von Patrick Stegemann. Im KZ Theresienstadt waren regelmäßige Fußballspiele Teil der NS-Propaganda von einer vorgeschützten Normalität. Für die Beteiligten brachte es etwas zu essen und damit ein Stück Leben, wie Dobrý erzählt: „Denn Essen war die Hauptsache. Es bedeutete Überleben. Wir haben nie gewußt, ob am nächsten Tag einer spielen kann oder ob er in den Transport geschickt wurde.“
Die Allgegenwart des systematischen Tötens und doch willkürlichen Todes erwähnt Dobrý, wenn er sich an den Zeitpunkt des Versuchs eines Fußballspiels in Auschwitz erinnert, wo der allgegenwärtige Hunger Bewegung eigentlich verunmöglichte: „Aber wir haben nicht länger als 30 Minuten gespielt. Wir konnten ja kaum die Beine heben. Ich weiß noch ziemlich genau, daß das gegen Ende Februar 1944 gewesen sein muß, denn im März ist der Transport, der vor uns gekommen ist, in der Nacht vergast worden.“
Sport aus eigenem Antrieb war auch ein Zeichen des Überlebenswillens, denn üblicherweise wurde neben der harten Zwangsarbeit körperliche Betätigung wie herumlaufen, herumspringen etc. als zusätzliche Folter der geschwächten Menschen eingesetzt.
„Eine verfahrene Situation“ ist das Verhältnis von Fußballfans und Polizei in Deutschland heute, schreiben Pavel Brunßen und Peter Römer. Beiderseits nimmt man sich als Feindbild und willkürlich handelnder, aggressiver homogener Block wahr. Wenn die Polizei dann am Spieltag eine „Faninformation“ veröffentlicht, sieht sie das als kommunikativen Schritt, während dies von Fans oft auch nur als Liste an Verboten wahrgenommen wird. „Gerade jugendliche Fans kommen durch polizeiliche Maßnahmen zu einem staatskritischen Bild, das sich ohne ihr Interesse am Fußball so wahrscheinlich nicht entwickeln würde.“ resumieren die Autoren die gesellschaftspolitische Auswirkung.
Im Rahmen des Schwerpunkts erzählt Thalia Hirsch vom freundlichen Verhalten der Polizei in Manchester gegenüber den Fans von Borussia Dortmund (Coverbild). Man wäre dort als „friedlicher Fußballfan wahrgenommen und aus diesem Grund respektvoll behandelt“ worden, „was wiederum den Respekt der Fans gegenüber der Polizei steigerte“. Die Dortmunder hatten ja anderswo auch schon ganz anderes erlebt.
Vom „Fußball unter Ausschluß der Öffentlichkeit“ in Italien erzählt im Heft Kai Tippmann: Von der erfolgreichen behördlichen Erstickung der Ultràbewegung zur Beendigung der Gewalt, die mit ihren − alle Fans betreffenden − Schikanen zu einer Entleerung der Stadien führte.
Die Zeitschrift mausert sich. Die Artikel sind gescheit und das thematische Spektrum erweitert sich. Gut ist auch, daß Groundhoppingberichte durchaus auch etwas länger sein dürfen, wenn sie Interessantes erzählen. Der eine oder andere Lektoratsfehler rutscht noch durch, aber diese Kinderkrankheiten werden vergehen.
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