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Donnerstag, 21. Juli 2011
Ballesterer 63
Rezension
Ballesterer fm
Nr. 63, August 2011
66 S.
Dem Platzsturm und Spielabbruch beim Wiener Derby im Mai im Hanappi-Stadion, seinen Ursachen und Folgen, wird einiger Platz gewidmet. Aber in angenehmer Weise nicht sensationsheischend zuviel. Das hat ja der Rest der Medienwelt bereits mehr als genug getan.
Hans Georg Egerer beschäftigt sich im Leitartikel mit den beiden Seiten der Medaille. Einerseits Kritik am Platzsturm in einer Klarheit und Deutlichkeit, wie sie die „vereinte Hütteldorfer Fanszene“ in ihren offiziellen Äußerungen meines Erachtens bisher leider vermissen ließ, trotz Distanzierung vom Ablauf des Platzsturms. Egerer schreibt, diesem fehlte „alles, was einen Protest erfolgreich macht: eine triftige Begründung, der richtige Adressat und die passende Form“. Gleichzeitig hinterfragt er auch Aspekte der vereinsoffiziellen Konsequenzen: „Das ewige Ausspielen von Familien gegen die aktive Fanszene ist aber demagogische Rhetorik“.
Jakob Rosenberg beleuchtet im Heft die Entwicklung, nachdem „das mediale Trommelfeuer verhallt“ ist. Über Gerüchte, einen chaotischen „Protest ohne Botschaft“ (die allseits wahrgenommene und medial vermittelte „Botschaft“ war nicht Protest gegen Mannschaft oder Vereinsführung, sondern gesuchter Kontakt mit dem Auswärtssektor), folgende Konsequenzen wie einem Maßnahmenkatalog des Vereins und polizeiliche Ermittlungen samt Hausdurchsuchungen, um Beweise für eine Verschwörung und Planung zu finden, die man mangels Existenz (der chaotische Ablauf spricht eindeutig dagegen) mutmaßlich nicht finden wird. Stimmungsboykott als Reaktion der Fanszene. Die Wogen gehen weiter hoch und das wird wohl noch länger so bleiben.
Zwei gute und wohltuend nüchtern und sachlich geschriebene Beiträge.
Der Platzsturm war und bleibt bei aller Emotionalität eine schwere Grenzüberschreitung. Über Sinn und Unsinn (Landfriedensbruch?) der Konsequenzen für Beteiligte und Unbeteiligte kann man reden.
Die Titelgeschichte (mit einer überaus gelungenen Covergrafik!) widmet sich dem undurchsichtigen Lizenzverfahren der Bundesliga. Die zuletzt ans Licht der Öffentlichkeit gekommene Spitze des Eisbergs von doppelten Verträgen und finanziellen Nebenabsprachen beim FC Lustenau und der Admira und ihre scheinbar widerwillig und ohne tiefgehende Konsequenzen erfolgte Sanktionierung sprachen Bände. Spannend ist die im Artikel von Klaus Federmair und Reinhard Krennhuber präsentierte UEFA-Statistik, die zeigt, daß die österreichischen Klubs im europäischen Vergleich mit den vorhandenen Mitteln besonders unproduktiv wirtschaften.
David Forster und Johannes Hofer kritisieren „widerwärtige“ rassistische Formulierungen „im Stil der 60er Jahre“ im 100-Jahre-Jubiläumsbuch der Wiener Austria von Peter Klöbl und Wolfgang Winheim in den Ausführungen über afrikanischstämmige Spieler wie den Brasilianer Jacaré oder das Besatzungskind Helmut Köglberger. Über die Passagen zur NS-Zeit urteilen die Austrianer hart, daß die beiden Buchautoren „haarsträubende Fehler an rührselige Märchen“ reihten. „Österreichischer kann man die Geschichte einer ,Arisierung‘ nicht erzählen“ kommentieren Forster und Hofer es trocken, wenn es im Buch heißt, Matthias Sindelar „erfüllte sich nebenbei seinen Traum vom eigenen Kaffeehaus“.
David Forster und Matthias Marschik beschäftigen sich weiters in einer Folge der Reihe Fußball unterm Hakenkreuz mit der Austria. Für mich insbesondere interessant, da ich den Vortrag von Forster bei der jüngsten Tagung zum Thema verpaßt habe. Forster und Marschik sehen das „Grundproblem violetter Vergangenheitsbewältigung“ darin, daß die Austria nach 1945 „jahrzehntelang ausschließlich als Opfer des Nationalsozialismus begriffen wurde“. Das habe zwar aufgrund der Vertreibung und Ermordung von Funktionären auch seine Berechtigung, allerdings wurden dabei die Nazis und Mitläufer im Verein weitgehend ausgeblendet. Darüber hinaus blieben die Schicksale und Biographien der Verfolgten unerforscht und „erstaunlich lückenhaft“.
Über eine sehr gute Initiative in Offenbach zum Erhalt bzw. zur Wiederaufstellung der beiden charakteristischen Flutlichtmasten im Stadionumbau berichtet Emanuel Van den Nest. „Die Flutlichtmasten sind ein Alleinstellungsmerkmal, in ganz Deutschland gibt es keine Anlage mit zwei Masten. Nur der Wiener Sportklub hat auch so eine Anlage“. erzählt dabei Gianna D'Agostino vom „Bieberer Berg“ der Kickers Offenbach. Gach fällt mir noch das alte Stadion von Pilsen (Štruncovy sady) mit ebenfalls nur zwei (hier sogar doppelt bestückten) Masten ein, genausowenig in Deutschland wie Wien und Hernals. In Pilsen werden diese aber dem derzeit laufenden Umbau zum Opfer fallen.
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