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Dienstag, 18. August 2009

Der tödliche Pass, 53


Rezension

Der tödliche Pass
Magazin zur näheren Betrachtung des Fußballspiels
Heft 53, Juli 2009
87 S.






Interessant die "kritische Analyse der Fußballdirektübertragungen im deutschen Fernsehen" des Fußballfilmexperten Jan Tilman Schwab, deren Ergebnis er in der These des "Paradigmenwechsel vom Fußball im Fernsehen zum Fernsehfußball" zusammenfaßt. Schwab führt aus, wie die Qualität der Fußballübertragungen auf der Produktionsebene seit Anfang der 1990er Jahre stieg (hinsichtlich Zahl der Kameras, Kamerapositionen und Kameratechniken), gleichzeitig mit der Montage der übertragenen Bilder die Qualität der Liveübertragung eines laufenden Fußballspiels aber sank, da sich die Aufmerksamkeit vom sportlichen Geschehen zum Spektakulären verlagerte:
"Es passiert in heutigen Übertragungen immer öfter, dass ein Tor zwar noch präsentiert wird, die Entstehungsgeschichte indes nachgereicht werden muss, weil ein Foul etwa in seiner dritten Zeitlupenwiederholung gezeigt wurde, während der nachfolgende Freistoß, schnell ausgeführt, zum Torerfolg führte. ... Wieder andere, heute mehr und mehr geläufige, eingeschnittene personality shots zeigen einen Spieler live in näherer Einstellungsgröße im Zweikampf um den Ball, wodurch dem Zuschauer jede Übersicht auf mögliche Anspielstationen vereitelt wird. ... Die Fernsehfußballmacher (und gezwungenermaßen die Fernsehfußballzuschauer) schauen immer näher hin - und verlieren dadurch den Überblick über das Spielmuster aus den Augen. Sie schauen immer öfter zurück - und verlieren dadurch die Gegenwart des Spielgeschehens aus den Augen. Und sie schauen immer öfter vom Ball weg ins Publikum, zur Trainerbank etc. ... Der Zuschauer, mit anderen Worten, sieht heute immer weniger von dem Spiel, das er doch eigentlich sehen möchte - und er sieht immer häufiger immer weniger davon."
Fußball im Fernsehen kann ein schöner Zeitvertreib sein, wenn man nicht auf einem Platz oder vor Ort ist. Es ermöglicht, ein Spiel zu sehen, das man sonst nicht sehen könnte. Es ermöglicht, Situationen in Wiederholung und anderer Perspektive anders zu beurteilen. Aber der Thrill, das Erlebnis und insbesondere auch die Übersicht über das Spiel durch das eigene Vor-Ort-Sein ist nicht ansatzweise ersetzbar. Aber wenn, dann will ich ein Fußballspiel und keine Inszenierung, keinen Event sehen.

Zum zehnjährigen Jubiläum eines der schönsten Fußballmomente, die ich je vor dem Fernseher erleben durfte, dem Champions League Finale 1999, gab es eine minutiöse Nacherzählung in 11 Freunde und gleich ein Bayern-Heft des Ballesterer. Der tödliche Pass bietet als schönes Stück Fußballiteratur eine Rückerinnerung des Bayernfans Johannes John an die damalige Nacht, die er beruflich in Kiew verbrachte. Seine Zeilen strotzen nur so vor Schmerz, sodaß horribile dictu fast Mitgefühl aufkommt:
"Ein Glück nur, wirklich ein Glück, wenn auch ein schales, jetzt fern der Heimat zu sein, weder Spott und Häme ausgesetzt, noch den üblichen vielstimmigen, mehr oder weniger kenntnisreichen Nach-Erzählungen dessen, was man ja selbst mit eigenen Augen gesehen hat, und auch nicht Trost, Zuspruch oder Aufmunterung, mit welchem Tonfall und Timbre auch immer: Was um Himmels willen sollte einen auch trösten? Im Geschichtsbuch der denkwürdigsten Matches aller Zeiten für immer und ewig auf der Verliererseite. Dass man für diese Mixtur aus Mitleid und Schadenfreude noch eine Galgenfrist von einigen Tagen gewährt bekommen hat, nimmt man als eine Art Wohltat, auch die Hölle kennt wohl Steh- und Sitzplätze...".

Wieder einmal gut sonst noch Albrecht Sonntags Frankreichbericht, diesmal über den Einfluß der Sporttageszeitung L'Equipe.

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