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Samstag, 7. Juni 2008
Fußball Fieber Österreich
Rezension
Fußball Fieber Österreich
DVD-Box
Ö 2008 (Filmarchiv Austria)
DVD 1: 148 min. Video, 192 min. Radio
DVD 2: 206 min.
Die 1. DVD, Eine Kulturgeschichte des österreichischen Fußballs, von Roman Horak und Wolfgang Maderthaner mit gewohnt hervorragendem Begleittext versehen, zeigt Filme von 1922 bis 1965. Da gibt es herrliche Kleinodien wie ein fünfminütiger Charlie-Chaplin-Film-Verschnitt aus dem Jahr 1922 oder eine Reportage von Willy Schmieger, die von unglaublichem Witz geprägt ist, beeindruckende Bilder von der von über 60.000 Leuten besuchten Hohen Warte, einen Film über den Bau des Praterstadions oder Filme über "legendäre" Länderspiele Österreichs. Darunter auch ein Wochenschaubericht über das legendenumwobene "Anschlußspiel" 1938, über das David Forster zuletzt im Ballesterer geschrieben hat.
Am meisten gefreut haben mich die Berichte von Rapid-Spielen wie dem 3:1 gegen Real Madrid 1956 in Wien, die Flutlichtpremiere im Prater: Ernst Happel schießt als Verteidiger alle drei Rapid-Tore (2x Freistoß direkt und 1x Elfer) und wehrt einen Real-Schuß auf der Linie ab. Da ist man schon beeindruckt.
Heute ist man ja gewohnt, im Fernsehen alle Spiele in verschiedenen Perspektiven in voller Länge sehen zu können. Sehr interessant ist diesbezüglich auf der DVD das Interview mit Otto Pammer, in der Nachkriegszeit Wochenschau-Kameramann, über die Entstehungsberichte der Filmberichte, die vor der Zeit des Fernsehens in den Kinos gelaufen sind. Er erzählt, daß er als Torkameramann je zwei (2!) Minuten Film pro Halbzeit gehabt hat.
Die 2. DVD, von Helmut Pflügl, bietet eine Länderspielchronik Vom Wunderteam bis Cordoba sowie eine Nach.Spiel.Zeit betitelte Collage aus verschiedenen Filmdokumenten. Letztere montiert Spielberichte, Hintergrundberichte und Varia wie z.B. Ausschnitte eines Kurier-Werbespots mit Heinz Conrads und Fritz Muliar Beim Fußballmatch aus dem Jahr 1957 zu einem kurzweiligen, gelungenem Filmessay.
An der Länderspielchronik ist etwas seltsam, daß hierin auch Berichte enthalten sind, die sich bereits auf der 1. DVD befunden haben. Faszinierend sind hier neben den Spielszenen die Blicke ins Publikum, die einzelnen Menschen und ihr Aussehen und Verhalten sowie die Totalen der schieren Masse bei Länderspielen, auf der Hohen Warte in der Zwischenkriegszeit oder die 90.000 auf den Stehrängen und Laufbahnplätzen Anfang der 1960er Jahre im Praterstadion mit seinem damals neuen 3. Rang. Ansonsten ist's halt auf die Dauer ein bisserl fad für den zwar historisch, aber nicht sonderlich nationalteamgeschichtlich Interessierten.
Ein grober Stilbruch ist leider der lieblose kurze ORF-Zusammenschnitt der österreichischen Tore beim Match gegen die BRD in Córdoba 1978 mit dem Radiokommentar von Edi Finger. Ich verstehe, warum man das drauf nimmt, aber man hätte sich auf so einer aufwendigen DVD dann schon was anderes erwartet als tausendmal gezeigte Hybrid-Ausschnitte aus dem ORF-Archiv.
Sehr interessant, neben dem Praterstadion auch ein paar Stadien anderswo zu sehen, wie z.B. das Marassi-Stadion in Genua 1924. Nachdem ich dieses zumindest schon von außen gesehen habe, habe ich etwa die im Bericht gezeigten Massen auf dem gegenüberliegenden Hügel und den alten Tribünenbau, auf den das neue Stadion aufgesetzt worden ist (siehe bei den Bildern hier den gelben Altbau unter dem roten Neubau) gut nachvollziehen können.
In Summe ist die erste DVD spannender, da sie sich nicht nur auf das Nationalteam beschränkt und so den Fußball in seiner Historie viel breiter zeigt.
P.S.1: Schade, daß sich auf der 1. DVD nicht der in der Ausstellung Wo die Wuchtel fliegt gezeigte Wochenschaubericht vom Fernduell zwischen Rapid und Sportclub um die Meisterschaft 1959 findet.
P.S.2: Schlimm genug, daß man den AC Milan in den 1950er Jahren im Stadion und in der Wochenschau "FC Milano" genannt hat. Den Namen dann im Booklet noch einmal zu verhunzen und den Verein "AC Milano" zu nennen ist ja aber fast noch schlimmer. Auch wenn er im Piefkenesischen "AC Mailand" genannt wird: Milan! In English! Zur Vienna sagt ja auch niemand "Wien"!
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