Freitag, 16. Oktober 2015

Jugoslav je Jugoslav


Rezension

Jugoslav je Jugoslav
Des Lebm is ajne Rajse, oda da Fusbal rold.

Grazer Theatergenossenschaft
Text: Stefan Pawlata, Christian Suchy
Schauspiel: Stefan Pawlata
Regie: Christian Suchy

Wien, Sportclub-Platz, 15.10.2015




In dem Solo-Theaterstück der Grazer Theatergenossenschaft erzählt Stefan Pawlata in der Rolle des Darko Begić eine Geschichte seiner Familie und damit verbunden eine Geschichte Jugoslawiens sowie des jugoslawischen Fußballs.
Das Stück wurde bereits voriges Jahr am Wiener Sportclub-Platz aufgeführt. Nun luden die FreundInnen der Friedhofstribüne erneut ein. Im Kabinengang unter der Friedhofstribüne, welcher die ein wenig düstere Bezeichnung „Katakomben“ nicht zu Unrecht trägt, wurde mit Heurigenbänken ein kleiner Theatersaal gestaltet. Selbst eine richtige Theaterglocke, die den nahenden Beginn ankündigte, gab es.

Die Erzählung des Darko Begić verknüpft eine Familiengeschichte mit der Geschichte des jugoslawischen Fußballs und der politischen Geschichte des Landes. Sie beginnt mit der jugoslawischen Teilnahme an der WM 1930 in Uruguay, führt über den Zweiten Weltkrieg ins kommunistische Tito-Jugoslawien und zum Bürgerkrieg. Sie endet mit dem Zerfall des Staates, des Fußballs und der Flucht vor dem Krieg. Familiäre Volten, Frauen mit langen schwarzen Haaren und Sommersprossen sind genauso Thema des Monologs wie die Rivalität der großen Fußballvereine, die jugoslawische Nationalmannschaft und der internationale Erfolg von Roter Stern Belgrad mit dem Gewinn des Europacups der Landesmeister und des Weltpokals 1991, als alles bereits am Zerfallen war. Da das Stück aus Graz kommt, hat hier auch Ivica Osim seinen Platz mit einer gut erfundenen Anekdote. Einen Fixplatz in der Handlung hat natürlich auch ein Besuch des schließlich nicht mehr angepfiffenen Fußballspiels zwischen Dinamo Zagreb und Roter Stern 1990, das gemeinhin als Beginn des Bürgerkriegs genannt wird − und wohl auch so erlebt wurde, auch wenn der Krieg in militärischer Hinsicht erst später begann. Der Bürgerkrieg dringt ins private Leben mit einem Bekannten der Familie, der aus Fußballfans eine Freiwilligeneinheit aufstellt, die als Mordbrigade in den Krieg zieht, und vor dem schließlich nur die Flucht rettet. Denn die Frage der nationalen Identität mit Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, die aus verschiedenen Teilen des zerfallenden Landes stammten, war nicht zu lösen. Bekannte Topoi wie die aufstrebende jugoslawische Nationalmannschaft bei der WM 1990 und ihr Ausschluss von der EM 1992 oder die Kriegsbeteiligung von Fußballfangruppen werden in die Geschichte eingebaut.

Grundtenor des Stücks ist eine gehörige Portion Nostalgie. Mit der Verbindung der drei Geschichten (Familie, Fußball, Politik) zu einer Erzählung über ein Land und sein Ende bereitet einem Stefan Pawlata, der ohne persönlichen „Jugo“-Hintergrund eine überzeugende Leistung darbietet, einen unterhaltsamen Theaterabend.


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