Donnerstag, 30. Januar 2014

Der tödliche Pass, 71




Rezension

Der tödliche Pass
Magazin zur näheren Betrachtung des Fußballspiels
Heft 71, Dezember 2013
107 S.





Zonguldakspor. Es gibt wohl nur wenige, die hier von diesem Verein schon einmal gehört haben. Ich gehörte nicht dazu und haben deshalb mit Interesse den Text von Tanıl Bora über diesen türkischen Bergarbeiterverein, zwischen 1974 und 1988 in der ersten Liga, gelesen. „Auf dem Wappen von Zonguldakspor prangen die internationalen Symbole der Bergarbeiter und ihrer Gewerkschaften: Schlägel und Eisen. Vor der Mannschaft lief ein Fan in Bergmannskluft und Kappe auf den Platz. Auf der Tribüne wurde ein Transparent entrollt: ,In deiner Farbe steckt das Blut des Bergmanns / hol den Sieg, damit Ruf und Ruhm des Bergmanns viele Jahre währe. Um sie zu ärgern brüllten die Gegner: ,Kohlenschwuchteln! Glaubt man den Erzählungen, war das der Moment, der die Fans am meisten aufstachelte und solidarisierte.“
Finanziert wurde der Werksverein mit Lohnabzügen der Arbeiter. Bora schreibt, daß sich die Leute zwar mit dem Verein identifizierten, es dagegen aber auch Unmut gab. Mit dem Niedergang des Bergbaus, der Entlassung des Großteils der Arbeiter im Bergwerk (1978 90.000, heute nur mehr 11.000) gingen der Wirtschaft der am Schwarzen Meer gelegenen Stadt Zonguldak, der Gewerkschaft und dem Fußballverein die Luft aus.
Es ist immer wieder spannend und horizonterweiternd, solch unbekannte Geschichten von unbekannten Fußballvereinen an unbekannten Ecken der Welt zu lesen. Davon kann man gar nicht genug bekommen.

Neben seinem abgedruckten Vortragstext gibt es im Heft auch ein Interview mit Tanıl Bora, in dem er sich u.a. zu den Bemühungen der türkischen Regierung um eine Unterdrückung politischer Äußerungen in den Fußballstadien nach den Istanbuler Straßenprotesten von 2013 äußert. In der türkischen Gesellschaft ist alles hochpolitisch, so auch der Fußball und die Geschehnisse in den Fußballstadien: „Seit die Regierung das Verbot erlassen hat, politische Slogans im Stadion zu äußern, hat sie das Gegenteil erreicht. Da haben wir als Gençlerbirliği-Fans einfach den Sprechchor ,Politischer Slogan! angestimmt, bei dem viele eigentlich unpolitische Zuschauer mitgemacht haben. Das Resultat ist, daß die gemäßigten Fans jetzt auch politisiert werden. In Istanbul kann man allerdings eine deutliche Spaltung beobachten zwischen dem politisierten Protest einiger Fangruppen und dem von der Regierung geforderten und geförderten Protest gegen diesen Protest. Kasımpaşa-Fans haben sogar ,Einsatzpolizei olé! skandiert!“

Habe ich schon einmal erwähnt, daß ich den großen Buchrezensionsteil dieser Zeitschrift sehr schätze?

Montag, 27. Januar 2014

Monza - Real Vicenza 3:1 (2:1)

Italien, Lega Pro 2, Girone A, 21a giornata, 26.1.2014
Stadio Brianteo, 812

In einem nicht übermäßig unterhaltsamen Fußballspiel gewann Monza recht verdient gegen Real Vicenza Villaggio del Sole.
Der aktuelle brasilianisch-englische Eigentümer Anthony Armstrong Emery führt in und mit dem Verein seit 2012 eine Antirassismus-Kampagne. Darauf bezog sich die Curva Davide Pieri in einem Flugblatt und einem Spruchband. Sie nannten die Aktivitäten „Stop al razzismo bla bla bla ...“, stellten dem den Fall eines diskriminierten Fans gegenüber, dem als Behinderten und an ALS Erkranktem der Zugang zum Stadion verunmöglicht wurde, und verlangten eine Lösung für ihn. Die Curva Sud benennt sich nach dem 1998 bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Ultra Davide Pieri. Sie sangen nur manchmal und wenig.
Die Fußballverein wurde 1912 als Monza FBC gegründet. Aus Fusionen mit anderen Vereinen entstand daraus 1913 die Associazione Calcio Monza. Das führte zu dem eher ungewöhnlichen Centenario 1912−2013, das Monza zuletzt feierte. Von 1980 bis zur Saison 2003/04, in welcher der Verein bankrott ging, spielte man unter dem Namen Calcio Monza. Seither tritt der neugegründete Verein unter dem Namen AC Monza Brianza an. Im Vereinsnamen ist nunmehr die Provincia di Monza e della Brianza vertreten.
Mit insgesamt 38 Saisonen in der Serie B zwischen 1951/52 und 2000/01 war Monza jahrzehntelang ein sozusagen ewiger Zweitligist, der Aufstieg in die Serie A gelang nie. Ab 1997 fungierte man als Satellitenklub des AC Milan. Nach dem Zweitliga-Abstieg 2001 stieg man 2002 gleich nocheinmal in die Serie C2 ab. Der nach dem Bankrott 2004 neugegründete Verein klopfte 2006 schon wieder an der Serie B an, scheiterte aber im Playoff der Serie C1 am zuvor zwangsabgestiegenen Genoa CFC.
Aufsehen erregte der Verein, als er 2009 von Clarence Seedorf und anderen bekannten Fußballern wie u.a. Giuseppe Bergomi gekauft wurde. Sie haben ihn aber mittlerweile wieder verkauft.
2012 stieg Monza aus der dritten in die vierte Liga ab und scheiterte zuletzt 2013 im Play-off um den Aufstieg in die Lega Pro 1 (die ehemalige Serie C1) an Venezia.
Das Stadio Brianteo wurde 1988 nach sechs Jahren Bauzeit mit einigen Bauerzögerungen (u.a. teilweiser Dacheinsturz) eröffnet und ersetzte das Stadio Sada. Das Stadion hat eine Gesamtkapazität von 18.568 Sitzplätzen, wobei nur 9.999 Plätze offenstehen. Blickfang ist die Haupttribüne, deren Dach an den nebenstehenden massiven Flutlichtmasten hängt. Ebenfalls nicht schlecht ist die schon lange Jahre gesperrte gegenüberliegende Längsseitentribüne. Sie ist zweirangig, wobei der obere Rang den unteren Rang überdacht. Die Hintertortribünen sind demgegenüber flach. In den besten Zeiten Ende der 80er Jahre bis Anfang der neunziger Jahre kamen hier auch zwischen 10.000 und 12.000 Leute zu den Spielen, heute sind es weniger.
Vor dem Spiel wurde noch in Mailand der Hauptbahnhof mit der Shoah-Gedenkstätte besichtigt und dann die Altstadt von Monza erkundet.












































Stadio Gino Alfonso Sada, Monza

26.1.2014

Das Stadio Gino Alfonso Sada wurde am 21. Oktober 1945 als Spielstätte des 1912 gegründeten Vereins AC Monza eröffnet. Zunächst diente allein eine Böschung als erhöhter Platz für Zuschauerinnen und Zuschauer, in den fünziger Jahren wurde dann die Haupttribüne errichtet. Ringsum entstanden weiters auf den übrigen drei Seiten Stehplatzstufen. Sie bestehen heute noch an zwei Seiten, sind aber gesperrt und von Natur überwuchert. Die Haupttribüne ist renoviert, am Spielfeld liegt ein Kunstrasen. Neben Jugendmannschaften wie bei meinem Besuch spielt hier regulär das Frauenteam Fiammamonza.
Das Stadion hieß zunächst San Gregorio nach der Kirche, die sich hinter den Bäumen erhebt. Von 1953 bis 1965 wurde es dann Stadio Città di Monza benannt bis es seinen heutigen Namen nach dem Ehrenpräsidenten Gino Alfonso Sada erhielt.
Bereits in den 1970er Jahren wurde das Stadion problematisch, da es durch seine Nähe zum Bahnhof zwar verkehrsgünstig lag, aber im Platz beschränkt war. 1979/80 mußte man für ein Spiel gegen Bari sogar nach Mailand ins San Siro ausweichen. Darüber hinaus brachte der Umstand, daß nur eine Straße zum Stadion führt, einiges an Ausschreitungen zwischen heimischen und auswärtigen Fans. 1982 fand schließlich der Spatenstich für das Stadio Brianteo statt, das nach längerer Bauzeit aber erst 1988 eröffnet werden konnte.
Vormittags war in Mailänder Hauptbahnhof mit der Shoah-Gedenkstätte besichtigt worden, dann auch die Altstadt von Monza.


























Historische Bilder des Stadions


Carpi - Ternana 1:2 (1:1)

Italien, Serie B, 22a giornata, 25.1.2014
Stadio Sandro Cabassi, 2.395

In einem ausgeglichenen Spiel ging Carpi zunächst in Führung, Ternana glich aber per Elfmeter aus. Obwohl sie im weiteren Verlauf zu einigen guten Chancen kamen, gelang Carpi kein weiterer Treffer mehr. Wie es dann eben so ist, machten im Gegenzug die Gäste den Siegestreffer.
Die Ultras sind 2013 aus der schmalen Kurve auf die Gegengerade umgezogen. Der Block war klein, aber nicht schlecht. Alle dürften den Blockwechsel aber nicht mitgemacht haben. In der Kurve standen hinter einem sehr langen Irriducibili-Fetzen einige alte Semester, die abseits vom Hauptblock ihren eigenen Support durchzogen.
Der Carpi Football Club wurde 1909 unter dem lateinischen Namen Jucunditas in der Stadt Carpi in der Emilia-Romagna gegründet und dann 1915 zu Associazione Calcio Carpi umbenannt. Über die Serie C kam man nie hinaus. 2000 ging AC Carpi bankrott, wurde mit dem heutigen Namen Carpi FC neugegründet und startete in der sechsten Liga. In den letzten Jahren hatte man einen Lauf: 2010 stieg man in die vierte Liga auf, 2011 in die dritte Liga und 2013 erreichte man nach über hundertjähriger Vereinsgeschichte erstmals die Serie B.
Das Stadion wurde 1928 eröffnet und ist baulich ein Radstadion. In den 30er Jahren wurde es nach Mario Papotti benannt, der im Spanischen Bürgerkrieg als Soldat des italienischen Truppenkontingents auf faschistischer Seite umgekommen war. Nach der Befreiung 1945 wurde es zum Stadio Sandro Cabassi, benannt nach einem jungen Partisanen, der 1944 getötet wurde. Die erste Haupttribüne wurde 1938 errichtet, in den frühen 1990er Jahren wurde sie durch die heutige größere Tribüne ersetzt. In den Kurven wurden für die Serie C Metalltribünen an der Zementradrennbahn aufgestellt, die dann im Amateurligabetrieb im Jahr 2000 geschlossen wurden. Vom Sommer 2011 bis Mai 2012 wurden Umbauarbeiten durchgeführt, um den neuen Ligenanforderungen zu entsprechen. Die alten Metallgestelle in den Kurven wurden durch neue Tribünen ersetzt und die Sitzplatzkapazität durch Stahlrohrtribünen links und rechts der Haupttribüne von 2.685 auf 4.164 erhöht. Der Verein hatte während dieser Saison in Reggio Emilia gespielt.
Vor dem Spiel wurde die Stadt besichtigt, samt Deportationsmuseum und KZ-Gedenkstätte des Lager Fossoli. Auch der Sportplatz in Fossoli wurde besucht.